Soziologen und Marketingfachleute nennen uns gerne “Dschänöräischen Uai”. Wir, das sind die Kinder, die ohne Krisen und Kriege aufgewachsen sind. Wir sind die “Kohl-Kinder”, nicht deswegen weil nur Kohl auf den Tisch gekommen wäre, sondern weil wir bis in unsere späten Teenager-Jahre hinein unter einer fast fatal stabilen Regierung leben durften. Wir sind die Kinder der Baby-Boomer, die bisher Gesellschaft und Wirtschaft fest im Griff hatten. Wir profitieren vom wirtschaftlichen Erfolg unserer Eltern und, im Gegensatz zur etwas perspektivlosen Generation X, können und dürfen wir alles.
Ja, wir haben es schon gut. Wir können studieren und ins Ausland gehen, sieben Praktika machen oder eine Weltreise, falls wir uns nach dem Bachelor noch nicht entscheiden können. Mama und Papa sitzen stolz zu Hause und erzählen den Nachbarn dass er Sohnemann gerade in London studiert oder durch Australien reist. Wir sind Mama’s und Papa’s kleine Statussymbole, und je mehr wir erleben und reinpacken in unser Leben, desto stolzer sind sie.
Überhaupt haben wir so viele Möglichkeiten wie keine Generation zuvor. Selbst wenn das Geld knapp ist, stehen uns Wege in alle Richtungen offen. Wir haben keine Angst mehr vor Hierarchien, wir sind mit jedem Chef per du, lieben die Herausforderung und sind auch selbstbewusster als jede Generation vor uns. Das alles denkt man so über uns, aber in Wirklichkeit ist es schwieriger als man meinen sollte.
Wir machen keine Praktika weil das so viel Spaß macht, sondern weil wir einen Weg suchen und weil wir müssen. Es ist nicht mehr so einfach einen Job zu finden. “Warum bewirbst du dich denn nicht einfach?” fragen völlig verständnislose Eltern, die in einer Zeit aufgewachsen sind, als man noch die Stellenanzeigen in der Zeitung durchsucht hat. In einem völlig zerfaserten System, in dem alle wichtige Arbeit eigentlich von Maschinen erledigt oder grauenhaft bezahlt wird, versuchen wir uns zu profilieren. In unseren Bewerbungen steht dass wir alles können und alles wollen. Aber unser Zeitplan ist nicht so voll, weil wir so unersättlich sind, sondern weil man von uns erwartet, dass wir alles wollen und erreichen. Dabei scharrt die Generation nach uns schon mit den Hufen, nur dass die nächste Generation noch cooler ist und alles worauf wir so stolz waren schon im Grundschulalter lernt.
Wir wissen nicht, was wir wollen, weil alle wollen, dass wir alles wollen. Was sind wir noch wert, wenn wir kein Auslandssemester, kein Praktikum, keine Spanischkenntnisse haben, kein Yoga machen und Skifahren während wir uns gleichzeitig ehrenamtlich engagieren und schon sieben Jahre Berufserfahrung gesammelt haben? Und egal was wir machen, es macht die Sache nicht einfacher. Es ist Standard geworden, alles gemacht zu haben. Und dann stehen wir da und können uns nicht entscheiden. Weil es so viele Wege gibt und keiner begehbar aussieht. Weil wir uns immer noch etwas besser auf irgendetwas vorbereiten wollen, von dem wir nicht wissen was es ist und ob wir es je erreichen.