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Kultur, mit Schock.

Sonntag, August 24th, 2008 | Author:

Es gibt Dinge, die Australien unnachahmlich liebenswert machen. Dazu gehoert, dass staendig und ueberall Troedelmarkt ist. Jeder Stadtteil, der was auf sich hält, hat einen eigenen Markt. Selbst Klein – Surry Hills, wo ich wohne, hat einen. Das Großartigste ist allerdings, dass auch Pubs sich berufen fuehlen an Samstagen strange Klamotten, Schmuck, Schuhe, alte Schallplatten und Tarotkartenleserinnen anzubieten. So kann man dann mit einem kuehlen Bier in der Hand und die hereinscheinende Nachmittagsssonne genießend durch alte Klamotten wuehlen. Und das, liebe Leser, ist, selbst wenn man das Bier weglässt, wunderbar.

Eine ähnliches Ding ist das mit den Cafe-Bookshops. Ich wundere mich seit Jahren schon, warum es in Deutschland so wenig alternative Kaffee-Konzepte gibt. Mit sechzehn habe ich Bilder und Pläne von einem Klamottenladen mit Cafe gezeichnet, und mich später gewundert dass ich nie etwas Ähnliches gesehen habe. Hier gibt es an jeder Ecke Buchladen-Cafes. Das Konzept ist einfach, es handelt sich um schicke bis ranzige kleine Buchhandlungen, die alle bis unter die Decke vollgestopft sind mit neuen, alten, wundervollen und seltsamen Buechern. Dazwischen stehen Tische und Stühle, Sessel und bisweilen Chaiselonguen (?) in allen moeglichen Formen und Größen, und je nach Schick bekommt man Tee, Kaffee, Muffins, Sandwiches oder gar ganze Menues serviert. Ist fuer das leibliche Wohl gesorgt und hat man sich zwischen Geschichte, Selbsthilfe,  Schmonzette, Gartenbau oder Politik entschieden, kann man sich irgendwo hinluemmeln und kleckernd und kruemelnd durch Buchseiten träumen. Dabei ist voellig egal ob man das Buch hinterher kauft oder nicht – eine Vorstellung die jedem anständigen deutschen Geschäftsmann den Angstschweiss auf die Stirn treiben würde, weswegen es sowas bei uns auch nicht wirklich gibt. Schade, eigentlich.

Dieses Wochenende hatte ich meinen ersten, richtigen Kulturschock! Nein, darauf war ich wirklich nicht vorbereitet. Das Haus war im Kino. Mit Haus meine ich unser Haus, also die Bewohner desselbigen, um genau zu sein. Mein Wochenbudget war schon arg ueberstrapaziert, aber ich wollte es mir nicht nehmen lassen meinen ersten Film in Australien – statt in karger Sneak-Preview Manier – mit ein wenig Luxus zu bereichern und die paar Dollar fünfzig für Popcorn herauszuhauen. Als ich mir In freudiger Erwartung buttersüßer Geschmacksexplosionen die erste Handvoll in den Mund stopfte, kruemmten sich meine Geschmacksnerven konvulsivisch zusammen und meldeten meinem Gehirn ein blinkendes ERROR! ERROR! Um mich herum taten alle so als wäre nichts. Sie mampften ihr Popcorn und fanden es nicht weiter schlimm, dass jemand Salz auf selbiges  gestreut hatte! Man bedauerte schmunzelnd meine enttäuschte Miene und versicherte mir, dass salziges Popcorn sowieso besser sei. Oh, dass ich allerdings doch ein arg Salziges erwischt hätte. Nach einem heimlich vergossenen Tränchen (entschuldigt, wenn es um Essen geht werde ich sehr emotional) habe ich mich dann doch an den Geschmack gewöhnt und sogar ein wenig Gefallen daran gefunden…

Es lief “You, the Living”, ein schwedischer Film, der netterweise in Originalsprache mit Untertiteln gezeigt wurde. Der Film war lahm und verwirrend und das Ende seltsam, aber trotzdem ein kleines Meisterwerk, grossartig! Ein typischer Arte Film. Die Bilder bleiben eine Ewigkeit bewegungslos stehen – meint man, bis einem ploetzlich auffällt, dass gerade etwas voellig Absurdes auf der Leinwand geschieht, ein kleines Detail, das man tatsächlich sekundenlang übersehen konnte. Fuer Liebhaber skandinavischer Filmkunst ein absolutes Muss!

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Category: Die ersten Tage in Sydney, Leben in Australien

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