Tokio Jugendherberge on Fire
Donnerstag, Mai 21st, 2009 | Author: admin
Einen Teil meiner Zeit verbringe ich ab und an damit, mich als Feuerkünstlerin zu verdingen. Dies war in den letzten Jahren auch nicht ganz unerfolgreich, immerhin durfte ich gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen Pit schon Fernsehauftritte und Shows auf Veranstaltungen mit an die zehntausend Leuten verzeichnen.
Zugegebenermaßen sind die Auftritte, die einem dann letzten Endes regelmäßiges Einkommen und Kontakte bringen allerdings eher Hochzeiten und kleinere Veranstaltungen. Diesmal bekam ich einen Anruf, ob ich denn am folgenden Tag Zeit hätte. Normalerweise machen das nur überhebliche Veranstalter und Verzweifelte. In diesem Fall bin ich vom Bund Deutscher Katholischer Jugendverbände im Rahmen einer 72-Stunden Aktion gebucht worden. Innerhalb von 72 Stunden solte ein soziales und kulturelles Projekt auf die Beine gestellt werden, und ein Verein wollte ein Kindertrekking mit Übernachtung und einer Feuershow am Abend organisieren.
Da ich den guten Zweck schätzte und auch nicht auf meine Gage verzichten musste sagte ich zu. Es regnete, und ich dachte da hüpfen so zwanzig Kinder auf ‘nem Sportplatz rum, die mich dann wieder nur mit großen Augen anstarren und den Daumen in den Mund stecken. Aber weit gefehlt. Es handelte sich um über neunzig Kinder, die vermutlich den ganzen Tag MTV guckten und genau wussten wie eine gröhlende, jubelnde Menge auszusehen hat. Der Auftritt war trotz Wetter grandios, und die Begeisterung war riesig.
So riesig, dass anschliessend ein Mädchen zu mir kam und nach einem Autogramm fragte. Ich finde Autogramme unglaublich blöd, aber Nein zu sagen wäre herzlos gewesen. Kaum hielt ich den Stift in der Hand, war ich plötzlich von siebzig Kindern zwischen 8 und 13 umringt, die mir alle ihr Hände und Gesichter hinstreckten, damit ich im Halbdunklen mit einem nicht funktionierenden Kuli meine Initialen darauf kritzeln konnte. Dabei kreischten und quiekten sie, und ein Mädel schrie hysterisch: “Oh mein Gott, ich hab ein Autogramm!” Ein Junge fragte mich danach wie ich denn das mit dem Feuer auf der Haut gemacht hatte. Eine vernünftige Frage, die von ernsthaftem Interesse zeugte, nur leider wurde ich von dutzenden von Händen bestürmt, die ich irgendwie alle abarbeiten musste, und konnte mich kaum auf die Antwort konzentrieren. So mussten sich Tokio Hotel fühlen, wenn all die kleinen Mädchen kreischend und sich selbst vor Aufregung bekotzend nach ihnen brüllen. Der Wahn war aufgesetzt, die Mädchen peitschten sich gegenseitig auf (ja, es waren tatsächlich fast nur Mädchen…ich weiss nicht was mit unserem Geschlecht los ist) und sagten Dinge, die sie im Fernsehen gesehen hatten.
Nach einer Unendlichkeit ebbte die Flut ab und ich wollte meine Sachen zusammenpacken als ein neuer Ansturm in Form einer etwa siebenköpfigen, hartnäckigen Mädchengruppe auf mich losrollte. Da wurde es mir zu bunt. “Doofer Autogrammwahn, da habt ihr doch eh nichts von, ausser dass ihr hinterher sinnlos mit ein paar Kulischrammern auf der Hand rumprahlt. Lieber wirbel ich euch hier einmal auf dem Sportplatz durch die Luft, das bringt wenigstens Spass!” Gesagt getan. Eine dämliche Idee. Schon nach dem dritten dicken Kind, das im Dunkeln nur knapp über dem roten Matsch flog, verliessen mich die Kräfte. Die Mädchen umringten mich, eins fragte raffiniert “Hast du uns hier lieber als die anderen?” – was ich mit einem ehrlichen “Nein, sollte ich?” beantwortete und sie endlich mit dem Nachdenken begann – und ein anderes klammerte sich mit unglaublicher Kraft um mich und versuchte, mich auf den Mund und überall sonst hin zu küssen. Sie kreischten als wäre ich Bill, und als hätten sie mich nun endlich in ihrer Gewalt. Es war gruselig, und die christliche Betreuerin stand hilflos daneben. Ich riss mich mit sanfter Gewalt los und sprang in den mit laufenden Motor wartenden Wagen zu Io, der bereits alle meine Sachen zusammengepackt hatte und mir zu einer eleganten Flucht verhalf. Ich fühlte mich benutzt. Beim nächsten Mal nehme ich einen Bodyguard mit.
also ich hab mich schon gewundert, obs dann tatsächlich weiter geregnet hatte…. gewöhn dich an die Autogramme! Die stehen dir dienstgradmässig zu!