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Das Essen ist des Koches Lust…

Donnerstag, Mai 07th, 2009 | Author:

Gut Schlottfeld, Aachen

Gestern abend kam ich unerwartet in den Genuß eines fabelhaften 6-Gänge Überraschungsmenues. Ein Freund von Io hat am Stadtrand von Rock-City in einem alten Gutshof an einem Tennisplatz ein Restaurant eröffnet, für welches Io das Corporate Design entwerfen durfte. Als wir das erste Mal zu einem Besuch da waren, wirkte alles noch ein wenig chaotisch. Deswegen stimmte ich auch Io’s Vorschlag zu, direkt nach der Arbeit ohne vorheriges “Schickmachen” zu einem kleinen Probeessen zum Gut Schlottfeld zu fahren. Dort erwartete uns jedoch ein völlig anderer Anblick als erwartet. Auf blütenweissen Tischdecken glänzten funkelnde Gläser und frischpoliertes Besteck, die Dekoration war schlicht und stilvoll und an den Wänden hingen appetitliche Stillleben eines russischen Künstlers.

Natürlich war uns klar gewesen, dass Jan, oder, der Vollständigkeit halber, Jan Estor-Freyaldenhoven in Belgien nicht in nur Koch, sondern auch Restaurantfachmann gelernt hatte, seinen Meister gemacht und in Frankreich für Edelpublikum gekocht hatte. Trotzdem übertraf es unsere Erwartungen. Nach einem kurzen Küchenrundgang hatten wir die Wahl, entweder von der Karte zu bestellen oder uns überraschen zu lassen. Wir wollten uns natürlich überraschen lassen!

Zuerst wurde uns knusprig-leichtes dunkles Baguette mit Butter serviert, die ganz dezent und unsichtbar gewürzt war. Als ersten Gang gab es ein feines Rindercarpaccio mit Balsamicodressing, Parmesan, Pinienkernen und Basilikum. Anschliessend kredenzte man Tafelspitz, der mit Ingwer gekocht und mit einem Limettensud angerichtet war.

Dazu tranken wir einen einfach-komplexen argentinischen Wein, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe, der aber herrliche Aromen von Holz, dunklen Beeren, Pfeffer und Vanille hatte.

Zu unserer großen Freude gab es anschliessend eine – natürlich hausgemachte – Maultasche mit frischen Waldpilzen und Salat. Zwischen den Gängen gab es natürlich eine ausgiebige Wartezeit, um den Appetit noch ein wenig zu steigern. Jan kündigte uns einen etwas experimentelleren Gang an und man verriet uns zunächst auch nicht, was es war. Bei diesem wahren Highlight handelte es sich um eine köstliche Kaninchenravioli auf Bärlauch in einer thailändischen Sauce aus einem Ingwer-ähnlichen Gewürz, Kardamon, Koriander, Zitronengras und Kokosmilch, dazu eine Scampi. Dieser gelungene Mix zwischen französischer und thailändischer Küche war unerwartet grossartig und wir vergingen fast vor Genuß. Als vorletzten Gang gab es Milchschwein (das arme kleine Ding) mit Polentaplätzchen und Staudensellerie mit Spitzkohl.

Dieser Gang war der Einzige, der mir etwas weniger zusagte, wobei ich die allgemeine Fleischlastigkeit insgesamt auch ein wenig bedaure. Im Grunde ist Gemüse mein Fleisch und ich versuche weitgehend auf totes Tier zu verzichten, aber es war halt trotzdem saulecker…

Ohne Dessert geht natürlich nichts. Ich bestand auf das Tiramisu was auf der Karte stand, und Jan rümpfte ein wenig die Nase. Auf dem Teller den wir schliesslich bekamen lag ein braunes Küchlein, welches wir möglichst als Erstes verspeisen sollten. Es handelte sich um einen halbgebackenen Schokoladenkuchen (mit einem seltsamen französischen Namen, merde ich habe einfach nie Französisch gelernt…) der aussen knusprig und innen noch flüssig war mit feinster flüssiger Schokoladenmasse, die uns heiss entgegenlief…Ein Traum! Ebenso atemberaubend war die Creme Brulee mit Tonkabohnen, “schreiende Sahne” wie Jan sagte, aber herrlich leicht auf der Zunge! Nun ja, das Tiramisu, welches mit Johannisbeeren verfeinert war schmeckte äusserst lecker, aber gegen solch kulinarische Höhepunkte konnte es natürlich am Ende nicht mehr anstinken.

Es war tief in der Nacht als wir schliesslich trunken, müde und glücklich ins Bett torkelten, und ich trinke schon den ganzen Morgen nur Zitronenwasser, damit mein Magen mit diesem unerwarteten Exzess fertig wird. Aber gleich ist Mittagessenszeit, und mein Salbeistrauch wird allmählich ein wenig zu gross…

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Category: Essen, Restaurantkritiken

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6 Responses

  1. 1
    Schwester S. 

    Fondant – Foondooo gesprochen – heißt das kleine, halbgebackene Schokoladenküchlein, das aus erster Linie aus Schokolade, Ei und nur wenig Mehl besteht, daher auch die eher cremige Konsistenz. Tonkabohnen sind grandios!
    Ich beneide dich ein wenig. Nicht um das arme Milchferkel (dieses Jahr gibt es übrigens 30+ Kälbchen, die alle munter und lustig über die Wiesen hoppeln), aber um den Genuß.

  2. 2
    Elster 

    Kein Mensch schreibt so speichelanregend wie du übers Essen.

    Mach um Gottes Willen nebenbei Restaurantkritikerin.
    Das ist dein schicksalberufenes Hobby!

  3. 3
    admin 

    Ich würde ja gerne…leider stand ich beim Gespräch mit dem Koch am Ende doch ein bisschen dämlich da, er selbst konnte sehr viele Sachen aufzählen die nicht so stimmig am Essen waren, ich hatte die Weinaromen deutlich überschätzt und ich dachte zuerst, das Karnickel wäre Hühnchen. Meine Schwester kann auch grandios schreiben und weiss wesentlich mehr über Essen als ich. Aber vielleicht muss ich einfach nur meinen Gaumen noch mehr schulen… mit mehr Essen, juhu! :-)

  4. 4
    Schwester S. 

    Mist, als Veggie bin ich leider auch aufgeschmissen! Also: Du mußt tatsächlich mehr essen…

  5. Ich dachte,dass ich selten einen Kommentar dazu abgebe aber, ich muss sagen, dass der Blog wirklich super ist :)

  1. [...] sind wir als Dank für die von mir verfassten İnternettexte (www.gut-schlottfeld.de) wieder bei Jan eingeladen und dürfen uns auf kunstvolle französisch-thailaendische Kreationen und [...]

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