Ich habe es einfach vollkommen verdrängt. Ich wusste es, als ich meinen Flug für den 15. Juli buchte, aber irgendwie hat es sich dann still und heimlich aus meinem Bewusstsein verdünnisiert… Erst vorgestern rüttelte mich ein Nachrichtensprecher wach. Nicht nur ich werde in Sydney sein, sondern auch der Papst und Hunderttausende von jungen Christen. Ich werde quasi in den Sündenpfuhl der modernen Christenheit reisen! Versteht mich nicht falsch, ich respektiere Religiosität, und in unpolitischer Form kann man dabei wohl immer von einer positiven Grundmotivation ausgehen. Der hier stattfindende Medienhype hat für mich allerdings wenig mit Glaube und Religiosität zu tun, denn wer den Namen eines hohen Kirchenvertreters mit einer Inbrunst brüllt als wäre er ein Mitglied von Tokio Hotel, dem diagnostiziere ich ein durch die wachsende Individualisierung unserer Gesellschaft verursachtes, unreflektiertes und willkürlich ausgelebtes Bedürfnis nach sozialer Gruppenzugehörigkeit. Zudem muss man sich nicht über die Folgen wundern wenn sich dreihunderttausend begeisterte Teenager in ekstatische Nächstenliebe hineinsteigern, gottseidank war das auch den Organisatoren des letzten Weltjugendtages in Köln klar, so dass wenigstens Kondome verteilt wurden, auch wenn es sich um eine katholische Veranstaltung handelte.

Ich habe ja auch nichts gegen singende Leute, erst gestern saß ich mit ein paar guten Freunden zusammen und wir haben Kirchenlieder gesungen (natürlich nur die coolen), aber was alleine in Aachen letztes Jahr beim Weltjugendtag abging war schlimmer als Fußball, nur dass es sich hier um christliche Parolen handelte. Dabei muss ich daran denken dass es in der Schweiz sogar ein White Metal Festival gibt, bei dem nur christliche Metalbands auftreten…sehr obskur.

Naja, vielleicht wird es ja halb so schlimm. Morgen Abend geht jedenfalls mein Flug. Meine Sachen sind gepackt, in den grössten und unpraktischsten Koffer den es gibt, wobei Terese mir nach dem ersten Packversuch noch ca drei Stunden lang helfen musste die Definition von “das Nötigste” zu klären. Nun werde ich mich morgen noch von meiner Familie verabschieden und mich auf die lange Reise machen. Ich hab mir extra Stützstrümpfe dafür gekauft (wegen der Thrombosegefahr), und es war irgendwie amüsant mit welcher Ernsthaftigkeit und modischem Know-How die Apothekerin mir die Vorzüge dieser oder jener Ausführung anpries. Ich bin sehr gespannt, es gibt eine Zwischenlandung in Abu Dhabi und ich komme am 17. in Sydney an (dann ist der Weltjugendtag ja auch schon fast vorbei). Ich werde berichten, falls ich nicht an Thrombose sterbe…