Ordnungsphilosophie
Montag, Juli 07th, 2008 | Author: admin
Die Zeit zum Packen nähert sich stetig, ich bin dabei mein ganzes Zimmer zu ordnen und in den Keller zu stellen (wir haben mittlerweile eine nette Mitbewohnerin für Terese gefunden). Selbst die Plastiktüte mit den alten unbeschrifteten Kassetten und ihren Hüllen, die sich natürlich getrennt voneinander in der Tüte befanden, und die schon seit drei Jahren in irgendwelchen Ecken ein Schattendasein fristete, konnte meinem Ordnungsdrang nicht entkommen. Ich räume mein Leben auf!
Mein Tagebucheintrag zu diesem Thema vom 03.07.2008, entstanden nach sieben Stunden Hardcore Ordnung machen:
“Langsam lichtet sich das Chaos. Ich räume mein Zimmer auf und aus. Sogar die Tüte mit Kassetten ist nicht verschont geblieben und auch in Kisten, Kästen und Daten will Ordnung sein. Mein väterliches Erbgut schlägt voll durch, jede Eventualität muss bedacht sein, für alles muss es Aufzeichnungen, Kopien und Ordner geben. Mein Vater listet jeden Liter Sprit auf den er verfährt, jede Zündkerze die er auswechselt, und vermutlich noch jede Menge andere Sachen. Ist das neurotisch oder klug? Macht die ganze Ordnung wirklich einen Sinn oder ist es nur ein neurotischer Zwang den man ausfüllen muss um sich entspannen zu können, wobei die Frage aufkommt ob ein zu deutlicher Überblick vielleicht eine unnotwendige, wenn nicht sogar schädliche Rationalität ist, die einen mit einer so oder so unabwendbaren (nicht deterministisch sondern eher im Sinne von Murphy’s Gesetz gemeinten) Realität konfrontiert, deren Verdrängung zwar sachliche Nachteile verursacht, den Betroffenen jedoch summa summarum glücklicher und sorgloser hinterlässt? Was hier abgewogen werden muss ist die Sorge des Planens, Denkens, Organisierens, Vorrausschauens, Rechnens, des gedanklichen und körperlichen Herumwälzens plus der Sorge um einen pötzlichen Zusammenbruch der berechneten Wahrscheinlichkeiten gegen die Sorgen der Folgen eines tatsächlich auftretenden Unglücks und Folgen von Nachlässigkeit, die unter Berücksichtigung von Murphy aber auch im anderen Fall auftreten können und werden. Hm.”
Ergebnis: Ordnung und Planung ist nicht nur thermodynamischer Unsinn (wegen der Entropie. Beweis: Schon mal versucht, Haarklämmerchen an einem bestimmten Ort aufzubewahren? Es geht einfach nicht, weil entropische Kräfte dafür sorgen, dass sie sich, wo auch immer man sie hinlegt, innerhalb kürzester Zeit gleichmässig im Raum verteilen…) sondern auch quantenmechanisch gesehen reiner Quatsch, da wir hier von unberechenbaren Wahrscheinlichkeiten reden. Das heisst wenn ich mir jetzt überlege wer wann wo meine Unterlagen klauen könnte und wie ich die Auflistung meiner Passwörter die ich im Falle des Vergessens benötige verschlüsseln könnte, verlasse ich mich auf eine Kette von Wahrscheinlichkeiten die nur im Augenblick meiner Berechnung überhaupt existiert.
Da ich aber nicht weiss was ich stattdessen tun soll, berechne ich trotzdem alles… “Finger weg von meiner Paranoia, die war mir immer lieb und teuer…” (Element of Crime)