Katzeneltern
Sonntag, März 14th, 2010 | Author: admin
Irgendwann erwischt das Syndrom jeden. Das Syndrom frischgebackener Eltern. Leute, mit denen man eben noch die letzte Party unsicher gemacht hat interessieren sich plötzlich nur noch für Schlabberlätzchen und Verdauung. Eigentlich besitze ich einen Freundeskreis der potentiell gefährdet ist, doch Kinder lassen sich mittlerweile schwer mit den Lebensgegebenheiten eines Endzwanzigers vereinbaren. Seit einiger Zeit werde ich jedoch trotz allgemeiner Kinderlosigkeit in meinem engeren Umfeld mit einschlägigen Symptomen konfrontiert.
Denn noch schlimmer als frischgebackene Eltern von humanoidem Nachwuchs sind frischgebackene Katzeneltern. Man wird nun nicht mehr zu einem Bier eingeladen, sondern dazu, die unglaublich süße, neue Katze zu besichtigen. Schon am Telefon wird man mit Einzelheiten über das unglaublich süße und einzigartige Verhalten der Katze bombardiert, sowie mit einer genauen Schilderung wie das Kätzchen das erste Mal die Wohnung betreten hat, aufs Sofa gehüpft ist und was es gefressen hat. Auf die Nachfrage, ob das Tier schon “Mama” oder “Papa” gesagt hat, reagieren die meisten Katzeneltern allerdings leicht irritiert.
Besucht man die frischgebackenen Katzeneltern dann das erste Mal, bricht sofort ein aufgeregtes Suchen aus, schliesslich muss dem Besuch sofort der neue Lebensinhalt vorgeführt werden. Die Katzeneltern klopfen enthusiastisch auf ihre Beine, stoßen kleine Rufe aus, schwingen Wollschnüre und kratzen am Teppich um das Tier hervorzulocken. Kommt das Kätzchen nicht freiwillig zum Besuch, wird es wie ein Baby herangetragen und unter beruhigendem Streicheln und Liebkosen irgendwo hingesetzt, in der Hoffnung dass es dort sitzen bleibt, was es natürlich nicht tut.
Meistens steht man dann einer mickrigen, stinknormalen, schüchternen Hauskatze gegenüber und muss unverzüglich bestätigen, um was für eine einzigartige und außergewöhnlich süße Katze es sich handelt, um die stolzen Katzeneltern nicht zu kränken. Es gibt unterschiedliche Sorten von Katzeneltern, und verschiedene Arten auf das Elternsyndrom zu reagieren:
- Designer-Katzeneltern verwöhnen ihre Katze nach Strich und Faden und behandeln sie ein bisschen wie ein teures Hobby. Sie durchblättern Bücher und Webseiten bestellen dann aufwendiges, psychologisch ausgeklügeltes Designerspielzeug und Zusatzaccessoires für ihren Schatz. Am besten bewundert man Katze und Spielzeug angemessen und wechselt dann schnell und unauffällig das Thema.
- Es gibt die Knuddelwuddel-Katzeneltern, die dem Besuch kaum Aufmerksamkeit schenken, weil sie mit verzücktem Gesicht auf dem Boden liegen und das Arme Tier ekstatisch bespielen und beknuddeln, weil es so unglaublich süß ist. Dieses Verhalten tritt oft auf, wenn es an anderen Gesprächsthemen mangelt und die Katze das einzig interessante Objekt im Raum ist, um das sich dann alles dreht. Ablenkungsmanöver helfen hier wenig. Falls man nicht wirklich ein interessantes Gesprächsthema auf Lager hat, spielt man am besten selbst mit der Katze um Langeweile vorzubeugen oder verabschiedet sich so schnell wie möglich…
- Eine andere Variante sind die Glucken-Katzeneltern, die unglaublich stolz auf ihre Katze sind, sie als eigenständiges Wesen erziehen und nichts an ihr süßes Baby kommen lassen. Man erkennt sie an dem verzückten Blick, wobei sie ihm Gegensatz zu den Knuddelwuddel-Katzeneltern ihre Gastgeberwürde bewahren. Hier ist es angebracht, das Tier sofort und ohne Umschweife in höchsten Tönen zu bewundern, es zu streicheln und mit ihm zu spielen, da die Gluckeneltern sich sonst persönlich angegriffen fühlen. Meist entfernt sich die Katze bald von selbst, und es reicht, sie gelegentlich beim Vorübergehen zu streicheln.
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