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Olfaktorische Bahnfahrt

Donnerstag, März 25th, 2010 | Author:

In dem Moment, in dem man aus der Wohnung in den Hausflur tritt, krabbelt einem der schale Geruch von abgestandenem Rauch, Essensausdünstungen, Hundehaaren und Staub in die Nase. Das führt dazu, dass man schnell, und möglichst ohne Staub aufzuwirbeln die Treppe hinuntereilt. Der Moment, in dem man dann das Haus verlässt ist einer der grossartigsten des Tages (abgesehen von dem Moment wenn man endlich wieder nach Hause kommt), besonders im Frühling. Man öffnet die Türe und es schlägt einem milde, volle Frühlingsluft entgegen, und der angewärmte Asphalt verströmt ein vielversprechendes Aroma von Freiheit und lauen Nachmittagen.

Morgens in der Bahn duften fast alle Menschen noch frischgewaschen, da ist die olfaktorische Welt noch in Ordnung. Ein Hauch von frischgewaschener Baumwolle und Shampoo liegt in der Luft. Die Gesichter der kleinen Jungs tragen noch den unschuldigen Glanz von Niveacreme und duften nach Muttis Händen, die Lippen und Wangen der Mädchen schimmern rosig. Durch das Abteil ziehen zarte, unaufdringliche Parfüm-Noten von Veilchen, Vanille und Flieder, die jedoch plötzlich durchmischt werden von pestigen Urinfäden, die sich in Alkoholbrodem auflösen.

Doch da fährt die Bahn schon in den Tunnel ein. Wie dicker, zähflüssiger Nebel dringt der U-Bahn-Duft unerbittlich durch alle Ritzen in den Wagen und in die Nase ein, und überdeckt alle anderen Gerüche. Es ist der dumpfe und teerige Geruch von abgestandener Luft, der sich vermischt mit dem von nassem Stein und dem metallisch-süßen Geruch der Bahnschienen. Ich steige aus dem Wagen. Es ist ein sehr vertrauter Geruch, der einen dennoch fast erstickt, in einen eindringt und einen völlig umschliesst.

Vor mir eine dunkelhäutige, schöne Frau, die betörend nach frischer Seife duftet. Ich schwimme in ihrem Luftstrom zum Ausgang. Mit dem Lärm jagen heftige Stöße von Abgasluft und der süße Hefegeruch frischgebackener Brötchen durch die Halle. Erst auf den Treppen, die zur Straße führen, kann man langsam wieder freier atmen; die züngelnden Duftfäden fließen einem noch durch das Gesicht; Und dann steht man plötzlich mitten in der Stadt, die alle Gerüche in sich vereint und verschwenderisch ihre kurzlebigen Düfte explodieren lässt.

Jede Stadt hat ihren eigenen Duft, wie ich in Australien feststellen durfte…In Darwin ist die Luft zum Beispiel heiss und schwer, es duftet dunkel nach rauchigem Holz, Schweiss, Chlor, Mangos, wilden Blüten und aus den Kneipen nach abgestandenem Rauch und Bier. In Sydney ist die Luft frisch, eine leichte, beschwingte Brise mit verschiedensten Nuancen von Dueften von exotischem und vertrautem Essen, Asphalt und Sehnsucht. Tja, und der Ruhrpott…warten wir auf den Sommer.

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Frühling!

Donnerstag, März 25th, 2010 | Author:

So ein Ärgernis, da habe ich doch glatt meine Sonnebrille vergessen, und das ausgerechnet heute, wo ich sie so dringend gebraucht hätte! :-)

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Vorgestellt

Dienstag, März 23rd, 2010 | Author:

Io ist hin und wieder ein Ausbund an sprudelnder Kreativität. Ich hatte mich bei einer großen Werbagentur beworben und wollte mich nun dort vorstellen – mein erstes Vorstellungsgespräch in einem großen Unternehmen. Vertrauensvoll fragte ich den lebenserfahrenen Io um seinen Rat.

“Man muss Fragen stellen.” sagte er.

“Ach nee. Was denn zum Beispiel? Es muss ja irgendwie intelligent sein und tieferes Interesse und Sachverständnis rüberbringen…”

“Wie wäre es mit: ‘Gibt es in der Kantine glutenfreies Essen?’ oder ‘Sind die Arbeitsräume auch schadstoffgeprüft? Ich bin nämlich allergisch.’ Oder wie wäre es mit: “Werden Maus und Tastatur auch im Zweiwochenturnus chemisch gereinigt und sterilisiert? Da fängt man sich ja alles, das wissen Sie sicher…”

“So ein Quatsch. Eher was Spezielles, welche Software benutzt wird, was für Kunden…”

“Die benutzen alle das Gleiche. Frag lieber nach dem Typus der Kaffeemaschine. Wenn du schon dabei bist kannst du auch gleich fragen ob der Kaffee Fair Trade ist, weil das von moralischem Interesse für dich ist.”

“Danke für den Tip. Warum will ich eigentlich in die Werbung? Jetzt mal ohne ständig auf Kreativität rumzureiten…”

“Hm. Sag einfach es ist eine pure Trotzreaktion. Alle haben dir davon abgeraten in die Werbung zu gehen, deswegen musst du es jetzt unbedingt probieren. Oder du schwärmst davon wie kaputt und am Ende die Branche ist, und sagst dass dich der morbide Charme des Untergangs fasziniert.”

Zum Glück waren die Leute in der Agentur sehr nett, so dass ich während des Gesprächs nicht an Ios wohlgemeinte Ratschläge denken musste.

Category: Job | 5 Comments

Dem Ingenör

Mittwoch, März 17th, 2010 | Author:

…ist nichts zu schwör.

Es gibt Psychologen, die sich ausschließlich mit den psychischen Problemen beschäftigen, die von Technik verursacht werden. Kein Witz. Meistens arbeiten solche Leute dann aber für die Technikhersteller, damit so etwas gar nicht erst passiert. Allerdings scheint der Forschungszweig noch nicht besonders erfolgreich zu sein, da ich am liebsten täglich irgendeins meiner technischen Geräte gegen die Wand klatschen möchte.

Die einzige Befriedigung, die technische Geräte bieten, ist wenn man es für einen Augenblick lang schafft, sie zu kontrollieren. Vorgestern habe ich es zum Beispiel geschafft, meine Fotokamera mit einer stinknormalen Universalfernbedienung aus dem vergangenen Jahrtausend auszulösen.

Ich gehe ja nicht zum Fotografen. Wer musste nicht schon einmal Bewerbungsfotos machen lassen, wo irgendein Depp ein paar Mal auf den Auslöser drückt und man sich dann von vier doofen Bildern eins aussuchen muss. Wenn man kein Vermögen ausgeben will, muss man das Ganze hinterher auch noch selbst einscannen.

Also habe ich das Wohnzimmer in komplettes Chaos versetzt um ein Fotostudio zu bauen: Schreibtisch inklusive Kabelgedöns als Stativersatz, Sessel mitten in den Raum vor das Fenster geschoben um weiches Licht zu bekommen, die Stehlampe auf einen Karton hinter den Sessel für ein paar schöne Reflexe und eine komplette Wand als Hintergrund freigeräumt. (Das war nicht so schwer, da dort immer noch eine unsägliche Lücke klafft, deren absurde Geschichte in “Das Klavier und der Hund” nachzulesen ist)  Einziges Problem: Wie schafft man es, in den fünf Sekunden, die einem der Selbstauslöser gibt, über all die Kabel zu klettern und sich entspannt symphathisch lächeln genau vor dem Sucher zu platzieren?

Gar nicht. Irgendwelche Bastler aus dem Internet behaupten, die Infrarotschnittstelle lässt sich auch mit einer Universalfernbedienung ansteuern, so wie damals bei den ganzen Autos als die ersten Fernbedienungselektroniken aufkamen. Ich probiere eine dreiviertel Stunde mit unserem alten Teil herum, aber es funktioniert nicht. Als plötzlich die Kamera unerwartet losgeht fliege ich vor Schreck vom Sessel. Dementsprechend grossartig ist das erste Foto… ich habe schon überlegt mich damit zu bewerben.

Der Triumph über die Technik hielt nur so lange an, bis ich das Wohnzimmer wieder aufräumen musste, und nun möchte ich am liebsten mein neues Handy vierteilen. Und dennoch. Meine Mama sagte einmal zu mir: “Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen.” Und da hatte sie völlig recht.

Category: Fast Wichtiges, Weisheiten aus dem Löffel | 3 Comments

Katzeneltern

Sonntag, März 14th, 2010 | Author:

Irgendwann erwischt das Syndrom jeden. Das Syndrom frischgebackener Eltern. Leute, mit denen man eben noch die letzte Party unsicher gemacht hat interessieren sich plötzlich nur noch für Schlabberlätzchen und Verdauung. Eigentlich besitze ich einen Freundeskreis der potentiell gefährdet ist, doch Kinder lassen sich mittlerweile schwer mit den Lebensgegebenheiten eines Endzwanzigers vereinbaren. Seit einiger Zeit werde ich jedoch trotz allgemeiner Kinderlosigkeit in meinem engeren Umfeld mit einschlägigen Symptomen konfrontiert.

Denn noch schlimmer als frischgebackene Eltern von humanoidem Nachwuchs sind frischgebackene Katzeneltern. Man wird nun nicht mehr zu einem Bier eingeladen, sondern dazu, die unglaublich süße, neue Katze zu besichtigen. Schon am Telefon wird man mit Einzelheiten über das unglaublich süße und einzigartige Verhalten der Katze bombardiert, sowie mit einer genauen Schilderung wie das Kätzchen das erste Mal die Wohnung betreten hat, aufs Sofa gehüpft ist und was es gefressen hat. Auf die Nachfrage, ob das Tier schon “Mama” oder “Papa” gesagt hat, reagieren die meisten Katzeneltern allerdings leicht irritiert.

Besucht man die frischgebackenen Katzeneltern dann das erste Mal, bricht sofort ein aufgeregtes Suchen aus, schliesslich muss dem Besuch sofort der neue Lebensinhalt vorgeführt werden. Die Katzeneltern klopfen enthusiastisch auf ihre Beine, stoßen kleine Rufe aus, schwingen Wollschnüre und kratzen am Teppich um das Tier hervorzulocken. Kommt das Kätzchen nicht freiwillig zum Besuch, wird es wie ein Baby herangetragen und unter beruhigendem Streicheln und Liebkosen irgendwo hingesetzt, in der Hoffnung dass es dort sitzen bleibt, was es natürlich nicht tut.

Meistens steht man dann einer mickrigen, stinknormalen, schüchternen Hauskatze gegenüber und muss unverzüglich bestätigen, um was für eine einzigartige und außergewöhnlich süße Katze es sich handelt, um die stolzen Katzeneltern nicht zu kränken. Es gibt unterschiedliche Sorten von Katzeneltern, und verschiedene Arten auf das Elternsyndrom zu reagieren:

  • Designer-Katzeneltern verwöhnen ihre Katze nach Strich und Faden und behandeln sie ein bisschen wie ein teures Hobby. Sie durchblättern Bücher und Webseiten bestellen dann aufwendiges, psychologisch ausgeklügeltes Designerspielzeug und Zusatzaccessoires für ihren Schatz. Am besten bewundert man Katze und Spielzeug angemessen und wechselt dann schnell und unauffällig das Thema.
  • Es gibt die Knuddelwuddel-Katzeneltern, die dem Besuch kaum Aufmerksamkeit schenken, weil sie mit verzücktem Gesicht auf dem Boden liegen und das Arme Tier ekstatisch bespielen und beknuddeln, weil es so unglaublich süß ist. Dieses Verhalten tritt oft auf, wenn es an anderen Gesprächsthemen mangelt und die Katze das einzig interessante Objekt im Raum ist, um das sich dann alles dreht. Ablenkungsmanöver helfen hier wenig. Falls man nicht wirklich ein interessantes Gesprächsthema auf Lager hat, spielt man am besten selbst mit der Katze um Langeweile vorzubeugen oder verabschiedet sich so schnell wie möglich…
  • Eine andere Variante sind die Glucken-Katzeneltern, die unglaublich stolz auf ihre Katze sind, sie als eigenständiges Wesen erziehen und nichts an ihr süßes Baby kommen lassen. Man erkennt sie an dem verzückten Blick, wobei sie ihm Gegensatz zu den Knuddelwuddel-Katzeneltern ihre Gastgeberwürde bewahren. Hier ist es angebracht, das Tier sofort und ohne Umschweife in höchsten Tönen zu bewundern, es zu streicheln und mit ihm zu spielen, da die Gluckeneltern sich sonst persönlich angegriffen fühlen. Meist entfernt sich die Katze bald von selbst, und es reicht, sie gelegentlich beim Vorübergehen zu streicheln.

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Post in da haus

Freitag, März 12th, 2010 | Author:

Es klingelte vor zehn Minuten. Normalerweise kommt niemand um diese Uhrzeit einfach vorbei. Genaugenommen tut das auch sonst niemand, diese soziale Unverblümtheit ist durch das Mobiltelefon leider ausgestorben. Selbst die Kinder klingeln nicht mehr irgendwo: “Kann die Nina zum spielen rauskommen?” Nein, man schreibt SMS hin und her: “Kannst du heute spielen?” – “Ich frag mal meine Mutter.” “Ja, aber erst später. Soll ich dann vorbeikommen?” “Ja, aber ruf vorher nochmal kurz an.”

Nur die Post kommt noch einfach so vorbei, ohne anzurufen. Manchmal kommen sie auch nicht und schmeissen dann Zettel rein, dass man nicht dagewesen wäre, und deswegen zwei Stunden auf dem Postamt stehen muss um etwas abzuholen von dem man nichtmal weiss was es ist. Aber so ist das nunmal. Als es also klingelte, wusste ich es ist die Post und machte die Tür auf. Normalerweise ruft es dann immer: “Po-ost.” Doch jemand kam die Treppe hinauf. Ein unerwartetes Paket? Kriegt man da nicht normalerweise einfach einen Zettel?

Ich geh mal gucken. Es sind mindestens zwei, sie wollen eindeutig zu uns nach oben. Durch das Treppengeländer sehe ich einen Typen mit kahlrasiertem Kopf und mit Lederjacke. Undeutlich Aufdrucke und Buttons auf der Lederjacke, das Rasseln von Ketten und Metall. Ich überlege ob wir einen Baseballschläger in greifbarer Nähe haben, und ob es im Notfall auch ein Federballschläger tut.

Es sind nur Polizisten. Sie wollen nur Bescheid sagen, dass sie nochmal im Haus sind. Warum? Wegen Kurt, der wahrscheinlich Drogen nimmt? Wegen dem Drummer, der wahrscheinlich Drogen verkauft? Wegen dem stillen Bahnangestellten, der aussieht als würde er illegale Filme gucken? Gehört die neueingezogene Russin vielleicht zur Mafia? Oder ist es doch wegen dem Typen, der bei uns im Keller wohnt? Ich hab ihn nie gesehen, nur schnarchen hören…

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Wärmflasche

Donnerstag, März 11th, 2010 | Author:

Menschen sind grundsätzlich selbstzerstörerische Wesen. Wir wollen gar nicht erst global denken, es fängt schon bei den kleinen Dingen an. Viele Leute rauchen, andere stürzen sich an Seilen von irgendwelchen Klippen, wieder andere spielen so lange Computer bis sie verdursten oder das Haus abbrennt. Ich dusche zu heiss. Bei Temperaturen wie diesen drehe ich alle zwanzig Sekunden den Hahn zwei Millimeter weiter und nehme dabei die Gefahr von Verbrennungen ersten Grades in Kauf.

Eigentlich fing meine Hitzesucht recht harmlos an. Aufgrund der arktischen Temperaturen in meiner alten Wohngemeinschaft froren mir gelegentlich die Finger an der Tastatur fest, so dass ich mir gelegentlich eine Wärmflasche eingoss (wie andere vielleicht einen Grog). Bald schon hatte ich mich so an das Gefühl dieses heissen Beutels gewöhnt, dass ich sobald ich nach Hause kam als erstes eine Wärmflasche zubereitete.

Ein beheizter Schlafraum ist keine Alternative, wichtig ist der Kontrast zwischen Kalt und Warm. Heizdecken fühlen sich eher so an als hätte einem jemand ins Bett gepinkelt. Selbst in Australien fühlte ich mich nach kurzer Zeit genötigt, mir eine Wärmflasche zu kaufen. Seitdem nehme ich stets eine Wärmflasche mit wenn ich unterwegs bin, auch wenn mich Partygastgeber gerne etwas komisch angucken wenn ich mir eine Wämrflasche mache bevor ich besoffen in den Schlafsack krieche.

Auf den Phillipinen war das bei 30 Grad natürlich völlig überflüssig, lieber sprang man morgens in den Pool um sich abzukühlen. Als ich jedoch in den Tiefen meines Rucksacks wühlte, stellte ich fest, dass ich ohne es zu bemerken auch in die Tropen meine geliebte Wärmflasche mitgenommen hatte…

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Meer, Schnee, Käsebrot

Dienstag, März 09th, 2010 | Author:

Ich fahre mit der Nachtfähre. Dort gibt es Hochbetten auf denen man schlafen kann. Als wir uns dem Hafen von Cebu nähern, drängen sich kleine Bananenboote mit braungebrannten Kindern darin um die Fähre und recken ihre Hände nach oben. Kleine Piraten, die auf dem Wasser leben, Seegetier essen und sich so durchschlagen. Waisen, Herumtreiber, Fischerkinder. Sie jagen einander, fahren im Kielwasser mit und hoffen auf etwas von oben.

Auf der Insel habe ich einige Strandkinder kennengelernt, die auf Algenbänken saßen und kleine Meerestiere gesucht haben. Keine Waisen, die ganze Familie lebt vom Meer. Sie sitzen in der Hocke und zerschlagen die Panzer und Schalen mit einem Stein, waschen das Fleisch im Meerwasser und stecken es in den Mund. Sie halten mir ein stacheliges Ding hin. “Animal?” frage ich. Nein. “Plant?” Ja. Ich nehme es in die Hand, plötzlich bewegen sich die Stacheln und ich lasse den Seeigel fallen. Sie lachen mich aus, ein Junge hebt ihn auf, biegt ihn auseinander und puhlt das Fleisch heraus um es zu essen. In kleinen Plastikeimern schleppen sie ihre Schätze nach Hause.

Ich steige aus dem Flieger, ohne Jacke, im dünnen Baumwolloberteil. Es gibt keine Gangway zum Terminal, nein, man muss bei minus vier Grad in den Bus steigen und hoffen dass er irgendwann die Türen schliesst. Ich hoffe dass in den nächsten zwei Stunden ein sicheres Verfahren entwickelt wird um Schockgefrostete Menschen wieder lebendig aufzutauen.

Ansonsten finde ich die Kälte gut. Immer wenn man woanders ist, fällt einem auf, wie sauertöpfisch die Menschen hier in Deutschland gucken. Selbst anlächeln hilft nicht, man wird angesehen als wäre man bescheuert oder unzurechnungsfähig. Nach zwei Wochen Reis zum Frühstück, Mittag- und Abendessen bin ich entzückt von einem Frühstück mit Brot und Käse. Beides gibt es auf den Phillipinen nicht.

Category: Bald geht's nach Hause, Reise Weise | Leave a Comment

Phillipinen

Samstag, März 06th, 2010 | Author:

Ich schreibe aus dem Land wo es keine Postkarten gibt, und auch keine Hausnummern. Auf den einsamen Inseln gibt es alle 30 Kilometer ein Internetcafe. Dort sitzen Gamer, die in Bambusverschlaegen wohnen, und sehen genauso aus wie alle andereren Gamer dieser Welt. Wenn man Glueck hat, funktioniert sogar das Internet.

Noch bevor wir den Flughafen nach 17-stuendiger Reise verlassen, fangen wir an zu drehen. Man soll schoen authentisch fertig aussehen. Die Fahrt durch Cebu, den suedostasiatischen Moloch, hoechst sonderbar. Man fuehlt sich wie in einem Film (Apocalypse Now?), oder einer Stadt entworfen von Walther Moers. Bilder duerrer, barfuessiger Kinder und zahnloser alter Leute aus Reportagen und Dokumentationen werden lebendig, und doch ist es kein Stueck wie im Fernsehen.

In dieser Welt ist es immer heiss, die Schilder bunt und selbstgemalt, die Mopeds knatternd. Man kann sich kaum vorstellen, dass genau zur gleichen Zeit andere Menschen genauso wohnen wie wir es tun: In Haeusern, kalter Luft, stillen Staedten, anderen Farben. Die Farben der Dinge hier sind anders. Das Meer, der Himmel, die Sonne haben andere Farben, genauso wie die Menschen, die Pflanzen und das Essen.

Auf unserer Insel gibt es kaum Weisse. Nach zwei Tagen wissen alle auf der Insel vom deutschen Fernsehteam. Der Dreh ist anstrengend, wir holen alles aus uns raus, weil wir jung sind und ehrgeizig. Wenn ich irgendwo lang gehe starren mir alle hinterher, alle winken und fragen woher ich komme, die Kinder kichern “You are so beautiful!” und ich erzaehle dass sich bei uns Leute auf Maschinen legen um braun zu werden. Alle denken ich sei ein deutscher Filmstar.

Inmitten von karibischem Traum, Dschungelhuetten und tiefstem katholischem Missionsglauben, verewigt in meterhohen, buntbemalten, Marienfiguren aus Plastik, traeumen die Menschen von Coca Cola, Kalter Luft und Glamour. Das der auch nur Schein sein kann ist ihnen egal. Auf der anderen Seite treffen wir einen reichen Amerikaner, der Heidegger und Hegel studiert hat und eine tiefe Sinnkrise hat, weil er sich nach dem unberuehrten Paradies und der Unschuld sehnt. Fuer uns ist es romantisch, belebend, mit nackten Fuessen am Strand entlang zu laufen und endlich etwas zu spueren in unserer kuehlen, sterilen Welt, aber wer immer Sand zwischen den Zehen hat sehnt sich nach festen Schuhen und sauberem Boden.

Ich singe mein erstes Konzert in einer kleinen Wellblechhuette mit einer phillipinischen Band, die auf feuchten Seiten spielen, meine Stimme knarzt durch den Verstaerker und ist schlimmer als beim Karaoke, aber es macht Spass. Neben mir liegt ein gegrilltes Schwein. Ich esse lieber Reis. Dem Hotelbartender bringe ich bei wie man White Russian mixt. Alles andere ist hoffnungslos.

Es gibt viel zu erzaehlen, so viel, das man fast nicht anfangen kann. Von den deutschen Maennern die hier heiraten, dem Essen und der Dschungelkommune, dem Busfahren und den seltsamen Leuten die man trifft. Vielleicht wenn ich zu Hause bin.

Category: Reise Weise | 2 Comments