Ich habe ein pinkes Klavier. Richtig pink. So pink wie ein schamhafter Flamingo oder eine wütende Zuckerwatte. Dieses Klavier steht in meinem Elternhaus, welches gerade verwaist ist, weil mein Vater im Ausland weilt. Nach langer Suche fand ich ein Transportunternehmen, welches das Klavier für schlappe 200 Euro abholen und zu meinem neuen Wohnort bringen würde.
Auch konnte ich den widerwilligen, schlüsselwachenden Nachbarn überzeugen, dem Unternehmen die Türe aufzuschließen. Der Nachbar sträubte sich zunächst, kannte er mich noch als rebellisches verzogenes Kind, dem er wohl zutraute dass es dem eigenen Vater die Bude leerräumen würde. Mich wunderte zwar, was mein Vater in den Augen des Nachbarn mit einem pinken Klavier sollte, aber mit Engelszungen schaffte ich es, ihn zur Mitarbeit zu überreden.
Das Klavier wurde nach einigem hin und her schließlich gestern mit zwei Stunden Verspätung abgeholt, und sollte heute morgen zwischen sechs und acht Uhr geliefert werden. Um halb vier schreckte ich aus dem Schlaf: “Sie sind schon da!” Waren sie natürlich nicht, und ich schlief wieder ein. Um sechs Uhr stand Io auf. “Sind sie schon da?” “Nein.” Die nächsten beiden Stunden verbrachte ich in unruhigem Halbschlaf, ohne jedoch von der Klingel geweckt zu werden. Dann schellte mein Handy. Eine SMS von Io: “Vergiss nicht den Jungs ein bisschen Trinkgeld zu geben.” Na vielen Dank für die Info. Nun war ich wach, wenn auch in desolatem Zustand.
Schliesslich riefen sie um halb neun an, sie wären dann in zwanzig Minuten da. Nach einer Weile schellte es und ein dreckigweisser Sprinter mit zwei schlecht-tättowierten Möbelpackern stand vor der Tür. In dem Sprinter stand ein brauner Holzkasten und ein sorgsam zugedecktes Klavier, also meins. Einer der Möbelpacker stand im Heck und hielt ein abgefallenes Holzstück von dem braunen Kastending in der Hand. Erwartungsvoll sah ich ihn an.
“Keine Sorge,” sagte der, “das kann man wieder dranstecken.” Sorgen machte ich mir nicht, war ja deren Sache. Außerdem wusste ich ja dass man es wieder dran stecken konnte. Woher bloss? Ich sah ihn weiterhin erwartungsvoll an, als er auf einmal begann, das Holzding abzuschnallen. Schreckliches schwante mir.
“Äh!!!!!! Moment mal! Das ist nicht mein Klavier!”
“Wie, dat is nich ihr Klavier?”
“Das ist nicht mein Klavier!”
“Dat hat uns der Nachbar gezeigt und dat stand da im Flur.”
Ich wäre nicht mal auf die Idee gekommen, dass das diese Verwechslung möglich war, geschweige denn hatte ich mich an das Teil erinnert. Die Möbelpacker hatten das alte, kaputte Harmonium meines Vaters (mit Blasebalg und Registern, Eiche, Anfang 20tes Jahrhundert), welches dieser in jungen Jahren vom Sperrmüll gerettet hatte und welches nun höchstens noch als nostalgisches Dekostück zu gebrauchen war, eingepackt und Hunderte von Kilometern zu mir gebracht.
“Ham wer ja auch gefracht, dat is doch kein Klavier, dat is ne Orgel! Aber der sachte hier gibts kein anderes. Wieder mitnehmen könn wer dat jetz nich.”
Man hätte mich ja mal anrufen können wenn man sich unsicher gewesen wäre. Schliesslich hätte im Auftrag ganz eindeutig “Anfängerklavier” stehen müssen. Jetzt haben wir eine leere Wand im Wohnzimmer, eine leere Wand im Elternhausflur, ein pinkes, einsames Klavier im zugigen Flur eines einsamen Hauses, ein kaputtes Liebhaberstück meines ahnungslosen Vaters im winzigen versifften Kellerraum, und ich 170 Öcken weniger im Portemonaie, zusammen mit dem Versprechen in die hohle Hand dass man die Sache schon irgendwie regeln würde. Maßloser Ärger, und dann ruft auch noch Ios Mutter an und sagt dass der alte, heissgeliebte und treue Familien-Hund eingeschläfert werden musste.
Lächeln, heute ist ein schöner Tag.