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Archive for August 11th, 2009

Kurt

Dienstag, August 11th, 2009 | Author:

Ich träumte von Maschinen. Gross, schwer, dröhnend wiegten sie sich durch meine Nächte. Walzenschleifer oder Tellerschleifer? Randschleifer oder Schwingschleifer? Erst als wir die Maschinen tatsächlich unter Aufbietung unmenschlicher Kräfte die drei Stockwerke zu unserer neuen Wohnung hochschleppten, liess das Rattern in meinem Kopf nach.

Oben angekommen stellten wir fest, dass der seltene Fall eingetreten war und der Strom abgestellt war. Keine Maschinen, kein Licht. Dann hörten wir unten im Flur Türenknallen, schwere Schritte, Gemurre, Genöle und das schwere, heisere Hecheln von zwei monströsen Hunden. Na super. Mehr Türenknallen und dann Technogewummer. Welch Freude, die neuen Nachbarn!

Nachdem wir von einer unbemannten Steckdose auf dem Speicher ein Kabel abgeleitet hatten, gingen wir erstmal unten klingeln, um extreme Lärmbelästigung durch Dielenschleifen anzukündigen und uns ein näheres Bild unseres Nachbarn zu machen – noch war es nicht zu spät die Sache abzublasen.

Unser neuer Nachbar – ich nenne ihn mal Kurt – öffnete uns die Tür nur in Jeans, mit langen blonden Haaren und Brustwarzenpiercing, hinter ihm eine stilvoll eingerichtete, leicht ranzige Rockerbude. Cooler als erwartet. Die Hunde waren nicht riesige Biester, sondern zwei kleine französische Bulldoggen, die aufgrund ihrer missgebildeten Anatomie kaum atmen und ergo auch nicht bellen konnten, was mich trotz einem gewissen Mitleid zugegebenermaßen sehr erleichterte.

Kurt klärte uns voller Stolz darüber auf, dass es sich um ein äusserst freizügiges Haus handle, wo jeder tun und lassen könne was er wolle. Man müsse sich also nicht wundern wenn mal jemand mit seinem Koks durch den Flur laufe. Nur wenn der Bongospieler von unten fünf Tage auf Pep durchtrommle, dann rufe man schon mal die Polizei. Als Kurt erfuhr, dass wir Klavier und Gitarre besitzen, zeigte er uns sofort sein kleines Tonstudio. Wir erfuhren, dass er Programmierer sei und gerne schon mal den ganzen Tag Drum’n'bass höre. Meine Erleichterung hierüber hielt sich in Grenzen, doch wir beschlossen, Kurt und dem Bongospieler eine mit gewisser Vorsicht angestrebte Chance zu geben.

Jetzt ist es sowieso erstmal zu spät. Nach vielen Stunden ohrenbetäubenden Lärms, Schweiss und Staub haben wir nun wundervolle, nach Holz und Wachs duftende, helle Dielenböden und morgen auch wieder Strom. Sollten wir irgendwann mal Drogen brauchen, wissen wir jetzt wo wir sie herbekommen. Wir halten die Scheiben von Io’s alter Death-Metal-Band als Gegenmittel parat und hoffen das Beste, lieber Leser.

Category: Die ersten Tage in God-City, Home sweet Home | One Comment