Unser Guide Jen weckte uns morgens um sechs, sie hatte schon eine Zigarette im Mund und sah nicht so aus als wäre sie jemals zu Bett gegangen. Es war bei unter 30 Grad noch angenehm kühl, und frischer Tau lag auf unseren Zelten. Nach einem knappen Frühstück saßen wir auch schon wieder im Jeep, auf dem Weg zum Jim Jim Creek. Diesmal ging es über einen richtigen 4 Wheel Drive Track, was sowas bedeutet wie: Halt dich gut fest, halt deinen Kopf von harten Gegenständen fern, klemm deine Beine unter den Sitz und versuch dich nicht zu erbrechen. Da wir alle jung und fit waren fuhr Jen wie ein Berserker. Dazu dröhnte, wie auch den ganzen Rest der Reise, Old School Rock aus den Lautsprechern. Es war grossartig! Insgesamt legten wir um die 20 km auf diesem Track zurück, was fast eine Stunde dauerte.
Am Jim Jim Creek fuhren wir mit einem Boot fuhren zwischen hohen Felsschluchten hindurch zu einem verborgenen kleinen Idyll mit grossen Steinen, Sandstrand, grünblau schimmerndem Wasser und einem fast ausgetrockneten Wasserfall. Es waren einige andere Touristen dort, was den Ort weniger abgelegen erscheinen liess als er tatsächlich ist. Ein bisschen weiter entfernt am Ufer lag eine Krokodilfalle, ein langer Drahtkäfig in dem sich ein Schweinebein befand. Jen erklärte uns dass die alte Geschichte, Krokodile würden kein frisches Fleisch mögen, nicht stimmt. Krokodile lieben frische Menschen! Sie kriegen nur keinen ganzen auf… Ein Krokodil ist nach einem Unterarm vollgefressen. Den Rest hebt es dann für schlechte Zeiten auf, bzw. um mit dem alten Fleisch frische Beute anzulocken.
Anschliessend fuhren wir über weiter 9 kilometer Schotterpiste (und wir reden hier von Motocross-tauglich) bis zu den Jim Jim Falls. Dieser Ort war nicht ganz so zugänglich wie die anderen, aber bei weitem der Schönste von allen. Zwar war es nur ein Kilometer, den wir zurück zu legen hatten, aber der dauerte über eine halbe Stunde, und es war brüllendheiss. Der sandige Pfad wandelte sich bald in steiniges Terrain um, das von Regenwald umgeben war. Hier und da flatterten Schmetterling, und es gab traumhafte Buchten. Die Steine wurden immer grösser, bis sie irgendwann so gross waren, dass man mit Händen und Füßen darüberklettern musste. Die letzten Steine waren riesige Felsblöcke, die schwarz und grau emporragten und in den unmöglichsten Winkeln herumlagen.
Endlich kamen wir an Ende der Schlucht, wo ein majestätisches Becken lag, tief, dunkel und klar. Von hinten war es von 200 Meter hohen Felswänden umgeben, vorne durch das Felsenmeer abgeschlossen und vom Rest der Welt verborgen. Die Steine waren brennendheiss unter unserem Füßen, das Wasser kühl und das Echo gewaltig. Jeder Laut hallte durch die ganze Schlucht, das Lachen eines Kindes, das Plätschern des Wassers. Wir schwammen bis zum hinteren Ende, wo sich in der Regenzeit ein rauschender Wasserfall in das nun stille Becken ergiesst. Jetzt konnte man am Ende auf einem kleinen Vorsprung im Schatten sitzen und winzige, wie Insekten oder Eiskristallen in der Sonne glitzernde Wassertropfen aus zweihundert Metern Höhe auf sich herabgaukeln sehen. Es war wunderschön! Es ging nicht anders, ich musste das Echo ausprobieren. Jen ermutigte mich, und ich sang in meinem besten Sopran eine klagende, ein bisschen gruselige Melodie. Durch das Echo hörte es sich an wie eine etwas kaputte Geige, oder ein Geist der jahrelang in einer Felsspalte gefangen war, und glücklicherweise waren meine unfreiwilligen Zuhörer äusserst erbaut und baten mich sogar um eine Zugabe.
Wir verbrachten den ganzen Nachmittag dort. Jen fand einen der giftigen Frösche am Ende des Wasserfalls, und sie zeigte uns allen das Gift das aus den Drüsen austrat. Danach brachte sie ihn um, was ein bisschen grausam, aber ökologisch gesehen wohl das Beste war. Jen zeigte uns in der Nähe, auf der anderen Seite der Schlucht als die auf der wir gewandert waren, eine Felshöhle. Mit Taschenlampen bewaffnet zwängten wir uns auf dem Boden kriechend durch ein winziges enges Loch in die stockdunkle Höhle, wo es weiter durch eine enge, steile, geröllige Felsspalte in eine zweite Höhle ging. Ich fühlte mich nicht gerade wohl, aber nur einer von uns bekam Platzangst und kroch nach dem ersten Loch wieder hinaus. Wir mussten leise sein, denn in der Höhle hingen überall Fledermäuse an der Decke, die wie kleine Schweinchen hin und her zuckten und die Nase rümpften wenn wir mit den Tachenlampen auf sie schienen. Der Weg hinaus war zum Glück einfacher und wir konnten uns noch einmal abkühlen bevor wir uns auf den anstrengenden Rückweg durch das Felsenmeer machten.
Sonnenuntergang gab es diesmal in der Nähe vom Campingplatz an einem kleinen Billabong. Vor einigen Jahren war hier ein Mädchen von einem Krokodil gefressen worden, weil ihr Reiseführer, der jetzt im Knast sitzt, gesagt hatte es wäre in Ordnung dort zu schwimmen. Er dachte es sei in Ordnung weil die Aboriginals dort auch ins Wasser gehen. Die wissen allerdings was sie tun und haben seit Jahrtausenden mit Krokodilen gelebt, und sie würden nie auf die dämliche Idee kommen nachts schwimmen zu gehen. Abends am Lagerefeuer durften wir alle mal das Didgeridoo besabbern. Eigentlich darf es von Frauen nicht gespielt werden, aber weisse Frauen kommen damit durch.
Am dritten Tag gab es morgens ein kleines Kulturcamp, wo wir von den ansässigen Aboriginals ein paar Dinge erklärt bekamen, ein bisschen Speerwerfen ausprobieren durften und Didgeridoo spielen konnten. Besonders informativ war es ehrlich gesagt nicht, eher ein bisschen oberflächlich, aber ich hatte Gefallen am Didgeridoo-spielen gefunden…
Danach ging es zum Ubirr Rock, eine der bedeutendsten Stellen der Welt was Felsmalerei angeht. Hier wurde übrigens auch ein Teil von Crocodil Dundee gedreht, nämlich der wo der Held die Dame auf einen Felsen führt von dem aus er ihr wo der Ort ist an dem ihn das Krokodil gebissen hatte… (siehe das Foto mit Jen). Als R. und ich uns anschliessend den Film nochmal ansahen erkannten wir jeden Stein sofort wieder. Danach machten wir uns auch schon wieder auf den stundenlangen Rückweg. Kurz vor Darwin machten wir noch einen Stop bei einem Laden der einem Freund von Jen gehört. Dort konnte man Aboriginal-Kunst kaufen, die Schlange knuddeln oder draussen dem Emu und dem Wildschwein zugucken. Als ich auf die Toilette wollte entdeckte ich in der Kloschüssel einen süßen, laubgrünen Frosch, der sich hier einen kühlen Rückzugsort gesucht hatte. Ich verkniff es mir dann die letzte halbe Stunde noch. Besetzt ist besetzt, und er war schliesslich zuerst dagewesen.