Home

Archive for September 5th, 2008

Sirenengesang

Freitag, September 05th, 2008 | Author:

Es war so, dass meine Mitbewohnerin Helen meine Abendplanung durcheinanderbrachte, indem sie mir folgende SMS weiterleitete:

Channel ? Warehouseparty, 8 stages, bands, DJ’s. call 0424..(bla) after nine to find out where it is. Biggest party of the year!

Ich dachte zunächst es handle sich um eine Verarsche ala “Hey ich will dich unbedingt wiedersehen, ruf mich doch unter 0190 666 666 zurück!”

Doch Helen versicherte mir dass es sich tatsächlich um eine Party handle. Events dieser Art dienen dazu unangemeldet in alten Fabrikgebäuden oder sogar mitten im Busch eine Party zu feiern und dabei der Drogenkontrolle durch die Polizei zu entgehen.

Um viertel nach Neun war eine Ansage auf dem Band die die Lokalität der Party verriet. Wir hatten Glück, die Party war mitten in der Stadt. Als wir ankamen stand die halbe Strasse voll, es war ein altes weisses Lagerhaus aus dem dumpf Musik dröhnte und in das Menschen unablässig hineinströmten. Drinnen gab es Lichtanlagen, aber der meiste Strom wurde in die Musik gepumpt und es dauerte eine Weile bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Das ganze Haus bebte und vibrierte, die Wände waren nass von Schweiss und es roch nach Gras. Kein Eintritt, keine Ausweiskontrolle, keine Verbote. Keine Toiletten, aber immerhin wurden in einer Ecke Getränke aus Kartons verkauft. Unmöglich zu sagen wie viele Menschen die engen Stiegen hoch und runter gingen, wie viele Räume es gab und in wie viele Ecken sich Leute herumdrückten, aber ich schätze das es über zweitausend Leute waren. Ich fragte mich wie lange es dauern würde bis die Polizei aufkreuzte.

Gegen ein Uhr kämpfte sich ein Polizist in Warnweste durch den Raum in dem wir waren bis zum DJ durch. Die Musik verstummte, was im Grunde aber kaum einen Unterschied machte da eine Wand weiter andere Boxen hämmerten. Plötzlich waren nur noch zwei Drittel der Menschen da. Kaum war der Polizist verschwunden, ging die Musik wieder los und alles jubelte. Ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht als zu sehen wie lange die Party standhaelt und mich von den Bullen rauskehren zu lassen, aber die anderen Mädels waren weniger wagemutig und wollten gehen. Als wir auf die Strasse traten sahen wir eine Meute von Polizisten in einiger Entfernung stehen und warten. Die Strasse war zu beiden Seiten gesperrt. Von oben klirrte es und Glassscherben rieselten auf uns herab. Wir bekamen jedoch nichts ab, eine Scherbe landete auf meinem Arm, der Rest hinter uns. Jemand brüllte mit einem Megaphon, das Einsatzkommando ordnete sich und noch ehe wir auf der anderen Strassenseite waren stürmten zwanzig bis dreissig Bullen das Gebäude.

Ein grosser Knall kam jedoch nicht, es gingen Lichter an, Leute fingen an die Scheiben auf drei Stockwerken zu zertrümmern und Graffitti von innen zu sprühen und ein Scheinwerfer beleuchtete das Gebäude von aussen. Dazu kam ein Helikopter, der knatternd über Parramatta Road kreiste und mit seinem Suchscheinwerfer die Szenerie um ein weiteres Licht erhellte.

Ich fand es grossartig.  

Category: kath goes australia! | 2 Comments

Vorwort

Freitag, September 05th, 2008 | Author:

Man merkt, dass die Austauschstudenten tatsächlich alle zusammenhängen. Kaum einer ausser mir (hähä) kennt viele Australier, und wenn ich Angebote bekomme irgendwohin rauszugehen geht es meistens zu Touristenclubs vor denen meine Mitbewohner mich gewarnt haben… Nichtsdestotrotz, es ist schön auch mal die eigene Srache sprechen zu können und sich ohne Beschränkungen in gewohnter Art und Weise ausdrücken zu können. Zudem teilen wir alle die gleichen Probleme mit der Reiseplanung. Es ist seltsam, die Menschen die hier leben sehen in ihrem ganzen Leben weit weniger von Australien als ein Besucher in ein paar Wochen. Das Gleiche gilt genauso gut für Europa, wovon meine Mitbewohner tausendmal mehr gesehen haben als ich. Dann findet man sich in Diskussionen wieder ob Brüssel eine langweilige Stadt ist und merkt, dass der Australier einem gegenüber mehr Ahnung von der Stadt hat als man selbst. Ha, aber ich werde nicht hier weggehn ohne dass allen im Hause Aachen tief in den Knochen steckt!   

Aber eigenlich wollte ich von was ganz anderem erzählen. Ja, schon wieder von einer Party. Wovon auch sonst? Ich könnte von meinem Strandspaziergang erzählen, von den wundervollen Farben des Meeres, dem türkisgrünen Schimmern der Wellen, den bizarren und fantasievollen Strukturen der Felsen, dem Friedhof auf den Klippen und den hässlichen Häusern die irgendwelche Idioten dorthin gebaut haben. Aber ganz ehrlich, das ist doch langweilig, oder? Jedenfalls wenn man von einer völlig illegalen Raveparty erzählen kann…

Category: kath goes australia! | Leave a Comment

Tangoqueen

Freitag, September 05th, 2008 | Author:

Ein gewisser Wagemut hat seine guten Seiten, denn ohne denselben ware ich wohl nicht mit meinem Freund zusammen. Dieser ist nämlich mit der stoischen Ausgeglichenheit eines Schafs gesegnet und wollte sich in der recht einseitigen Initiationsphase unserer Beziehung weder durch verschämtes Gekicher, unverschämtes Starren noch durch schamlose Bemerkungen aus der Ruhe bringen lassen.

 Ich bin in Freud’s Theorie nicht so gut bewandert, aber ich kann mir vorstellen dass Extrovertiertheit auf ein ausgeprägtes “Es” hindeutet, während hinter Introvertiertheit eher eine unterdrückte Bedürfniswelt steckt. Ich bin vermutlich eher extrovertiert, da recht gerne als Erstes am Buffet. Das hat einen einfachen Grund: Man kriegt einfach mehr!

 

Was passiert also, wenn eine gute Fidel-Band kundtut dass das nächste Lied ein Tango sein wird und das beste Tanzpaar eine CD bekommt? Gar nichts, es bleiben nämlich alle sitzen und starren auf die halbdunkle Fläche vor den Stuhlreihen weil keiner sich traut zu tanzen. Ausser mir natürlich. Festen Schrittes gehe ich nach vorne, ergreife meinen Schal in klassischer Tanzpose mit ausgestrecktem Arm und beginne mit gebeugten Knien und feierlichem Gesicht im Rhythmus der Musik das Parkett abzuschreiten. Verhaltenes Luftanhalten und Wispern in der Menge.

Nahe an der Bühne steht ein junger Mann mit einem Bier in der Hand. Er scheint beeindruckt, betritt aber die Tanzfläche mit einem Habitus, der keinen Zweifel daran lässt dass er es mit mir aufnehmen will. Er prostet mir zu und fordert mich damit quasi zum Tanz auf.

Ohne uns zu berühren tanzen wir nun minutenlang umeinander herum, aneinander vorbei, nebeneinander und miteinander. Dabei wandert das Bierglas als Ersatz für die unerlässliche Tangorose zwischen und hin und her, es entspinnt sich ein kleines Spiel und die Luft im Raum fängt spürbar an zu knistern. Hinterher geben wir uns die Hand, aber geredet habe ich kein Wort mit ihm.

Erst am Ende des Liedes gibt die Band zu dass es hinterhältig ist Leute zum Tanzen aufzufordern und dann ein sieben Minuten langes Stück zu spielen. Dafür bekommen wir johlenden Applaus und jeder eine CD.

Category: kath goes australia! | 3 Comments