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Winterträume

Dienstag, November 23rd, 2010 | Author:

Auf dem Weihnachtsmarkt schlendern Polizeieinsatzkräfte herum – also nicht die mit Uniform, sondern mit Kampfanzug. Sie sind jung, gutaussehend und gut gelaunt. Mittagspause bei einem Apfel im Schokomantel? Oder sind sie etwa im Dienst und passen auf, dass niemand einer Oma die Handtasche klaut? Ich stelle mir vor, wie plötzlich eine wilde Verfolgungsjagd ausbricht und die beiden jungen Polizisten fit und fidel einen Verbrecher durch zerberstende Stände voller Kerzen, Silberschmuck, Strickwaren und Süßigkeiten jagen. Sehr schön.

Mein erstes Konzert: nächsten Freitag. Ins Hemd machen ist eine gelinde Bezeichnung für meinen Gemütszustand. Ich gucke Castingshows mit minderbegabten, dicken, pickeligen, amerikanischen Teenagern um mein Ego zu stärken. Zusätzlich werden gerade alle Leute um mich herum von einer feisten Grippewelle umgeworfen, und ich kann von Glück sagen, dass ich nur ein bisschen heiser bin, was jedoch auch alles andere als förderlich ist… Vielleicht helfen noch mehr Stricksocken.

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Existenzielle Erkenntnisse

Donnerstag, Juli 29th, 2010 | Author:

Manchmal kommt man ja unverhofft zu Geld. Zum Beispiel wenn man vergisst, dass man welches hatte, oder verliehenes zurückbekommt. Zugegebenermaßen ist das selten der Fall. Ich kam jedoch neulich in die glücklichen Umstände, und beschloss augenblicklich, mir ein neues Sofa zu kaufen. Das ist nicht ganz unsinnvoll, da das Alte demnächst auszieht, vor allem aber ist der Gedanke fein, ein selbstausgesuchtes Sofa zum Draufsitzen und Liegen und Essen und Rumgammeln zu haben. Vielleicht ist es ein bisschen spießig, viel Geld für ein Sofa auszugeben, ala “dann brauche ich die nächsten zehn Jahre kein neues mehr!” – eine Rechnung die eh nie aufgeht wenn man nicht wirklich viel viel Geld ausgibt, und das ist ja Quatsch.

So habe ich also in Gedanken ein Sofa gekauft und dazu gleich noch einen Tisch, von dem ich auch schon lange regelmäßig beim Essen schwedischer Köttbullar träume..

Dann hatte ich gestern eine Art musikalisch-identitätsmäßige Sinnkrise. Wer bin ich eigentlich und so weiter, warum habe ich keine MySpace-Seite und wieso habe ich es noch nicht geschafft ein Konzert zu geben? Die Antwort ist ganz simpel: weil das Equipment fehlt. Also beschloss ich Folgendes: Eines Tages, wenn ich mal zu Geld komme, werde ich mir eine ordentliche Gitarre mit Mikrofon, Verstärker und Gedöns kaufen, und bis es so weit ist tröste ich mich mit meinem schönen neuen Sofa.

Genau. Ich glaube irgendwas in meinem Kopf tickt nicht richtig, denn irgendwie dauerte es etwas länger bis die Erkenntnis über diesen himmelschreienden Unsinn all meine Hirnwindungen durchdrungen hatte. Wer zur Hölle braucht ein schickes Sofa??? Morgen packe ich mein ganzes Geld und gehe in den Musikladen.

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Filosofisches zur Musik

Dienstag, Juni 22nd, 2010 | Author:

Musik zu machen ist vergleichbar damit, eine Beziehung zu einem anderen Menschen zu führen. Wie die Liebe zu einem Menschen kann auch die Liebe zur Musik nur eine bedingungslose Liebe sein. Man findet nur dann sein Glück in ihr, wenn man voller Ambition und frei von jeder Erwartung an sie herangeht. Viele Menschen machen Musik um berühmt zu werden, oder erhoffen sich von einer Beziehung, durch den anderen erhöht zu werden. Sie sind enttäuscht wenn es nicht klappt, während wieder andere ganz ohne Ambition sind, sie stecken nicht genug Seele und Kraft in diese Beziehung und beginnen irgendwann sich zu langweilen.

Man braucht Leidenschaft und gleichzeitig viel Geduld. Es braucht ungestüme, gewaltige Emotionen um der Liebe die Töne zu entlocken, die sie lebendig machen und sie zum sprechen bringen. Doch nicht immer bekommt man das, was man fordert, der Ton ist zum xten mal daneben gegangen und was man hört entspricht nicht den eigenen Erwartungen. Ohne Geduld endet man damit den Geliebten/die Geliebte zu verfluchen und zumindest wenn es sich um ein Instrument handelt selbiges gegen die nächste Wand zu werfen und zu zertrümmern.

Man muss lieben mit Willensstärke und Disziplin, und doch muss man sich leiten lassen von seinen Gefühlen. Mit Willensstärke ist gemeint, dass es manchmal notwendig ist, dem Instrument seinen Willen aufzuzwingen, nicht nachzugeben und um die Liebe zu kämpfen. Gleichzeitig muss man aber auch in der Lage sein, dem anderen zu vertrauen und sich leiten zu lassen. Man muss mit Disziplin tausendmal die gleichen Töne spielen, den Abfall raustragen, unbeirrbar weiter gehen und überhaupt willens sein auch dann zu lieben wenn es gerade schwierig ist, die Lust eine Weile nachlässt oder andere Dinge wichtiger erscheinen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass man in der Routine untergeht und mechanisch Tonleitern und Liebesschwüre herunterbetet. Nein, man muss seinen Gefühlen nachspüren und auch in die kleinen Dinge Liebe hineinlegen.

Doch die Liebe braucht noch mehr. Man braucht das Selbstbewusstsein um Grenzen zu überschreiten, Dinge zu fordern und man muss zugleich in der Lage sein die eigenen Fehler einzugestehen und an sich zu arbeiten. Wenn man vor einem Instrument sitzt und sich sagt: “Das kann ich nicht, ich bin schlecht und habe es ja auch gar nicht verdient dieses tolle Instrument zu spielen…” ja, da würde sich wohl jede Gitarre mitleidig abwenden und nach einem Musiker suchen, der bereit ist es mit ihr aufzunehmen. Auch reicht es nicht, zufrieden mit dem zu sein, was man bekommt, sonst bleibt der Klang der Liebe wie der klägliche Vortrag eines Blockflötenaspiranten, und die Gewalt der Oper bleibt denen vorbehalten, die sich wagen danach zu streben. Doch Symphonien können auch nur entstehen wenn man an sich arbeitet und wenn man seine Fehler anschauen kann ohne dabei den Glauben an sich selbst aufzugeben.

Ich werde jetzt Lasagne essen und danach meiner Gitarre ein paar zärtliche Töne entlocken…

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Troubardine

Mittwoch, Mai 26th, 2010 | Author:

Schon als Kind wurde mir ein herausragendes schauspielerisches und dramatisches Talent von meinen Eltern bescheinigt, nämlich immer dann, wenn sie mein derzeitiges Anliegen als nicht ganz so ernstzunehmend betrachteten. Sie meinten es sicherlich nur gut und wollten mich bestimmt früh fördern. Nach zwei Jahren Klavierunterricht kam ich in die Pubertät und die Klavierstunden wurden durch Mathenachhilfe ersetzt. Zwar schrieb ich schon erste Lieder, diese trug ich allerdings nur betrunken auf Partys vor. Ich weiss nicht ob es ein Kompliment war, wenn Leute sagten, dass das Stück im Original bestimmt sehr gut klänge. Man versuchte mir das Gitarrespielen beizubringen um meinen Gesang zu übertönen, doch ich scheiterte und man ging dazu über, mich an Bäume zu knebeln wenn ich etwas getrunken hatte. Im Abijahrbuch gewann ich dann neben dem Titel “Chaotischste/r” auch in der Kategorie “Beste/r Sänger/in”, wobei ich nicht weiss, ob ich dieses Ranking meiner Unbeliebtheit oder meinem unvergleichlichen Talent zu verdanken habe, ich befürchte fast Ersterem.

Vor zwei Jahren beschloss ich, nun doch Gitarre zu lernen und siehe da: Es klappte. Auf meine Vorträge reagierten die Leute jedoch sehr unterschiedlich: Engste Freunde glotzten mich irritiert an und wechselten schnell das Thema, während wildfremde Menschen mir um den Hals fielen und mich berühmt machen wollten. Meine Eltern sagten, dass das ja eine feine Sache sei, und verzichteten gänzlich auf einen musikalischen Vortrag. Ich machte trotzdem weiter.

Mein Chef, der ursprünglich aus der Musikindustrie kommt, meinte neulich zu einem Stück von mir: “Sehr experimentell. Aber witzig.” Meinte er damit, dass es leider experimentell, dafür aber witzig sei, oder dass es toll experimentell, jedoch leider witzig sei? Trotzdem sieht die Welt heute ganz anders aus als noch vor ein paar Monaten. Meine beste Freundin, die immer versuchte meinen Enthusiasmus vorsichtig zu bremsen, hörte nach langer Zeit noch einmal Lieder von mir und hatte die ganze Woche Ohrwürmer davon. Eine andere Freundin entschuldigte sich bereits vor dem Vortrag, dass sie nicht so der Typ sei, der begeistert auf solcherlei Dinge zu reagieren pflege, und ich dies nicht persönlich nehmen solle. Schon nach den ersten Tönen strahlte sie jedoch bis über beide Ohren und kündigte an, mich für diesen Herbst bei “Unser Star für Oslo” anzumelden. Auf den Hinweis, dass meine Stimmqualität doch noch nicht ganz hinreichend für eine solche Angelegenheit sei, entgegnete sie, dass ich ja nun Bescheid wisse und bis dahin Zeit zum üben hätte.

Selbst mein eigener und normalerweise hochkritischer Freund sagte vor kurzem, dass ich ja nun allmählich mal an die Öffentlichkeit müsste, und auf Partys beginnen Menschen mir Gitarren zu reichen und mich zu bitten etwas vorzuspielen. Es ist gar kein schlechtes Gefühl wenn man jahrelang der einzige Mensch gewesen ist der an einen glaubt (wie bei dem britischen Mobilfunkverkäufer Paul Pott, der plötzlich Opernstar wurde) und plötzlich tun es viele, sie fragen Aufnahmen für ihren Ipod und wollen schon Karten für mein erstes Konzert vorbestellen… Ich bin sehr glücklich darüber und möchte meiner Gitarre, die einmal fast gestorben wäre, aber dann doch von einer angehenden Geigenbauerin, die am selben Tag Geburtstag hat wie ich, gerettet werden konnte, demnächst einen Heiratsantrag machen. Am Ende muss man einfach nur üben und immer weiter machen, egal wie blöd man sich manchmal dabei vorkommen mag.

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Buddy Holly Musical Review

Dienstag, Oktober 13th, 2009 | Author:

“Er hatte braune Augen und auch braune Haare, er hatte eine Brille und eine Gitarre, auf der Gitarre spielte er bis zur Ekstase und die Brille trug er immer auf seiner Nase…oho!” singen die Ärzte. Ich kann das Lied auch auf der Gitarre schrammeln.

Letzten Mittwoch waren wir dann bei der Pressepremiere des Buddy Holly Musicals in Essen. Bei Presseveranstaltungen gibt es meistens Alkohol umsonst, damit es einem besser gefällt und man was Nettes schreibt, aber ich bin natürlich unbestechlich ;-) Im Grunde ist meine Meinung wohl auch deswegen fehl am Platze weil ich Buddy Holly und sein Werk nicht wirklich kenne und Rock’n Roll für viele junge Menschen nunmal nicht mehr diesen revolutionären Touch hat. Von daher fehlte für mich persönlich ein wenig der Mitreissfaktor und die persönliche Rührung, die allerdings einigen Herrschaften mittleren bis älteren Jahrgangs deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Ich müsste ich wohl eher warten bis ein “Metallica-Musical” rauskommt, um das zu erleben.

Trotzdem kann man wohl sagen dass es musikalisch absolut grossartig war. Die Soundtechnik war einmalig gut, so dass man wirklich alles wunderbar hören konnte und ein perfektes Klangerlebnis hatte! Auch das Bühnenbild und die Lichttechnik waren großes Kino, sehr beeindruckend. Die Kostüme waren angeblich sehr aufwändig gestaltet, leider waren dies hauptsächlich die Kostüme der Nebendarsteller. Zudem waren die Einzelheiten der besonders ausgefallenen Countrykostüme mit ihren zahllosen Pailetten, Fransen und Stickereien höchstens in den ersten Reihen zu erkennen.

Die Akteure waren teilweise sehr nervös – nun gut, das erste Mal vor richtigem Publikum – und die schauspielerische Leistung nicht herausragend. Dazu muss man allerdings sagen dass der Plot auch wenig Futter hergab um sich schauspielerisch auszutoben und ausnamslos alle Akteure eine so brilliante und weitgefächerte musikalische Begabung an den Tag legten dass man kaum mehr von ihnen hätte verlangen können.

Auch wenn sich der Plot in Grenzen hielt steigerte sich das Musical stimmungsmäßig gewaltig, und es wurde immer noch etwas draufgelegt, bis zu einem bunten und wirklich beeindruckenden Finale am Ende. Ein klassisches Musical, würde ich sagen, und wirklich gut gemacht mit grandioser Technik! Wenn man sich für die Musik und die Ära der 50er begeistert wirklich sehr zu empfehlen!

(Wer damit nicht ganz so viel anfangen kann wartet besser mit mir auf das Metallica- oder Madonna-Musical… )

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massive mudcake baby

Montag, August 24th, 2009 | Author:

Unter Kurt wohnt Benno. Benno hat auch lange blonde Haare, sieht fast genauso aus wie Kurt und hat eine Landgothic-Freundin ( Landgothics mögen Rockmusik, sind einfach, bodenständig, fahren auf Festivals und sind trotz rotgefärbter Haare ansonsten eher spießig und tragen Brillen zu Pannesamtkleidern oder Metalshirts). Grundsätzlich eine symphathische Angelegenheit, man muss sich nur bisweilen vor zu einfachen Weltbildern oder gesellschaftlicher Verbitterung in Acht nehmen.

Mein Handgelenk tut vom Akkord-Anstreichen weh, genauso wie der Rest meines Körpers. Zum Glück habe ich bald eine Badewanne, in die ich mich hineinlegen und dank rockiger Nachbarn in satten Dezibeln ‘Massive Attack’ aufdrehen kann. Konträr zum ersten Eindruck des Namens ist das kein Gehämmer sondern  ernst zu nehmende Badewannenmusik.

Ich habe es aber tatsächlich geschafft noch ein wenig Ferien zu machen: Mit dem Motorrad ins Freibad, zwei Lagerfeuernächte, ein extrem schokoladiger Schokokuchen und ein neues (zugegeben wieder leicht niveauloses aber spaßiges) Lied, in dem es um eben diesen Schokokuchen geht: “Chocolate mudcake baby”.

I had it on you baby/you had in on me babe/we had it on each other all nigt long/ we had some chocolate mudcake baby/so sweet and sticky baby/chocolate mudcake and some redwine from your bellybutton baby.

You gave it to me baby / right from the oven baby / made me salivate yeah / hot and fresh chocolate mudcake / chocolate mudcake baby/so sweet and sticky baby/chocolate mudcake and some redwine from your bellybutton baby.

When the sun rose you said / stay for breakfast lady / I’ll make you tea and we’ll have sweet and sticky chocolate mudcake / chocolate mudcake baby/so sweet and sticky baby/chocolate mudcake and some tea with milk and sugar baby.

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Selbstfindung

Mittwoch, August 05th, 2009 | Author:

Ich habe gestern Nacht in einem Zustand körperlicher Erschöpfung plötzlich in mein Inneres Selbst geblickt, und dabei die Essenz meines Seins erfahren. Mein Geist wanderte durch etwas Weiches, Helles hindurch und befand sich mitten darin. Hier und da gab es ein paar süße, dunkle Flecken, und kleine Luftblasen im Raum. Diese Erfahrung war wundervoll und einzigartig, und doch überraschte sie mich nicht. In meinem tiefsten Inneren wusste ich schon immer, dass die Essenz des Seins Muffinteig ist.

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Katertag

Freitag, April 03rd, 2009 | Author:

Diese kleine alte Geschichte habe ich mal für einen Poetry Slam geschrieben an dem ich nie teilgenommen habe… Ich wollte sie euch nicht vorenthalten, obwohl man sie eigentlich Sonntags lesen muss. Oh ja, before ich es vergesse: Kategorie M, recommended for mature audiences only.

Katertag
Heute ist Katertag. Der heiligste aller Feiertage. Da dulde ich keine Störung. Von niemandem. Katertag ist fast immer Sonntag. Vermutlich einer dieser heidnischen Bräuche, den die Kirche irgendwann christianisiert hat, weil er sich nicht abschaffen ließ. Selbst den christlichsten Wikinger kann man nicht von seinen Opfertrünken abhalten. Saufen ist irgendwie doch eine Tugend, zumindest war es das bei den Wikingern bestimmt. Die Christen haben den Katertag der Wikinger dann zu Buß- und Bettag gemacht, das weiß heut nur keiner mehr. Vor allem das Büßen ist von höchster Priorität. Die Tradition des Katertages ist fast so alt wie Menschheitsgeschichte selbst, ein Initiationsritual, das durch Leid und Schmerz zu neuen Einsichten führen soll. Oder so.
Ich hab heute Katertag. Mein Körper ist völlig taub, die Blase drückt mir aufs Gehirn, und meine Augen weigern sich, sich zu öffnen und dem Tag ins Gesicht zu blicken. Ich versuche es, aber ich bin blind, blinzle durch zwei zusammengepappte Schlitze. Im Geiste höre ich meinen alten Kumpel Manni väterlich und mitfühlend fragen: „Na, Augen noch ganz verklebt?“ Jaa…“Na, musste dich schneller wegdrehen, passiert sowas nicht…“ Etwas Schmieriges schmiegt sich an meine Wange. Oh mein Gott, was….ich bin doch allein, oder? …Meine Hände tasten sich an meinem verquollenen Gesicht vorbei über das Bettlaken. Der Übeltäter ist nicht männlich, sondern eine einsame Bratkartoffel, die, letzte Nacht übersehen und verschmäht, nur ein wenig Nähe suchte, und noch herrlich nach Knoblauch und Maggi duftet. Großzügig stecke ich sie mir in den Mund. Jetzt ist auch egal. Dort trifft sie den Iltis und den Thunfisch, die sich dort unhöflicherweise gepaart haben. Mein Mund ist eine Opiumhöhle. Fickende Viehcher, die ihre üblen Balzdünste absondern, kleine Pelzgnome, die Nachts kommen und es sich auf der Zunge bequem machen, eine einsame Bratkartoffel, die ich nur aus Mitleid eingeladen habe, die aber ohne zu fragen gleich noch ein paar flotte Flusen mitbringen muss…
Ich greife nach der Wasserflasche. Das Gute alte Mephisto. Das hatten die alten Wikinger nicht. Genau so wenig wie Aspirin. Aber Katerkopfweh ist Ehrenkopfweh. Weicheier, die bei einem Kater Aspirin schlucken, verdienen kein einziges Bier. Ich leide ehrlich, wie die alten Wikinger und die Christen bei ihrem Buß- und Bettag.
Im Gegensatz zum Buß- und Bettag kann der Katertag bedenkenlos und nach Bedarf von Personen ab 18 bzw., 21 Jahren mehrmals im Jahr durchgeführt werden. Die reinigende Wirkung auf Körper und Seele läßt allerdings bei häufiger Anwendung leider nach. Heutzutage gibt es zum Glück kleine Zahlen auf den Flaschen, die einem sagen, wie viel man büßen wird. Bier hat ungefähr 4,5 Bußeinheiten, wobei es da Unterschiede gibt. Kölsch hat zum Beispiel 4,2 , Grimbergen dagegen 7,9. Ich habe Ron getrunken. Spanischer Likör. 56 Bußeinheiten. Aber ich werde gar nicht erst anfangen, über den gestrigen Abend nachzudenken. Jeder weiss, was einen nach einem solchen Abend quält. Nicht nachdenken. Es quält mich trotzdem. Ich hab wieder gesungen. Das Lied mit dem Haar in der Spargelcremesuppe. Immerhin bin ich angezogen geblieben, oder? Man wird mir verzeihen, hoffe ich.
Ich wanke zum Klo. Starre in den Spiegel. Ein Zeittor hat sich geöffnet, mir gegenüber steht ein Wikinger. Ich weigere mich, ihn zu waschen, aber ich bin ihm gern beim Pinkeln behilflich. Als mir der warme Strahl am Bein herunterläuft, wundere ich mich, warum der Wikinger nicht im Stehen pissen kann. Kerle. Ich setze mich. Meine Psychiotherapeutin hat mir geraten, an meinen Identitätsproblemen zu arbeiten. Gekotzt hab ich wohl auch, stelle ich fest, als ich die angetrockneten Reste auf dem Spülkasten mit unpersönlicher Distanz begutachte. Es klingelt das Telefon. Der Ton bohrt sich schrill in meinen Kopf, ein Vorschlaghammer dröhnt mit dem fröhlichen, pulsierenden Rhythmus eines irischen Volksliedes in meinem Schädel. Ich falle rückwärts vom Klo und krieche in den Flur. Ich muss rangehen, bevor mein Kopf platzt. Meine Augen treten hervor, meine Adern schwellen dick an, gleich werde ich sterben, von einem Telefon zu Tode gemartet. Das hätten sich die alten Chinesen mal statt ihrer Wasserfolter einfallen lassen können. Meine Schwester brüllt ins Telefon, hysterisch. Oh mein Gott, es muss was passiert sein.
„Ähhhhhhh…“ Es ist der erste Laut, den ich heute von mir gebe, und ich fühle mich, als hätte mich eine Urkreatur gerade erst in die Welt gekotzt.
Sie kreischt, ihre Stimme schraubt sich immer höher. Ich höre nur Wortfetzen, es geht um Muttern, und es ist dringend.
„W…w…was is passiert?“ presse ich in den Hörer.
„Nichts ist passiert, aber wir müssen uns langsam mal darum kümmern, dass…“
„Äh Saskia…es ist halb elf morgens.“
Da ist doch mal alles klar bei dem Satz, oder?
„Oh hab ich dich geweckt?“
„Äh, nein aber…“
„Ja, was hältst du denn von der Idee?“
„Ich halte grad das Telefon, und damit bin ich schon völlig überfordert.“
„Das ist übermorgen, vielleicht sollten wir uns langsam mal was überlegen?“
„Ähm du, ich glaub ich hab grad einen Wasserrohrbruch…“
„WAAAAS?“
Ich werde sterben, und das am Telefon. Sie ist eine e-Gitarre mit Rückkopplung, eine sorgenvolle e-Gitarre.
„Nein, ich glaub es ist doch kein Wasserrohrbruch, hab mich vertan. Du, ich hab jetzt echt keine Zeit…ich…“ (Bitte, leg auf, ich tu auch alles was du willst!)
„Bitte? Ich reiß mir hier alles auf um das auf die Reihe zu kriegen und du?“ Bitte nein, heul jetzt nicht, bitte! Ich liebe dich Schwesterherz, es wird alles wieder gut, aber wein jetzt nicht. Sie tut es.
„Na wenn dir der Geburtstag von Mama so egal ist…“
Sie legt auf.
Odin, sei meiner Seele gnädig. Nie wieder Alkohol. Mehr Mephisto. Die Reue erklimmt jede Stufe meines Magens mit intensiver Besonnenheit, bis sie den Gipfel meiner Nervenenden erreicht hat. Frische Luft. Ich muss die Fenster aufmachen. Aber vorher die Rolladen hoch. Nur mit Sonnenbrille bewaffnet. Ich ziehe die grauen Leisten drei Schlitze auseinander und werde vom tödlichen, vampirvernichtenden Strahl der Sonntagmorgensonne mitten ins Gesicht getroffen.. Zu gefährlich da draußen. Lieber nicht weiter öffnen. Büßen lässt es sich eh am besten vor dem Fernseher. Hatten die Wikinger auch nicht.
Ich schlafe auf der Fernbedienung ein. Als ich aufwache, läuft QVC, und ich habe das dringende Bedürfnis, den Kenhom-Wok zu kaufen. Der hat eine tolle Teflonbeschichtung, und es gibt sogar Messer dazu. Die mit der besonders scharfen Klinge, mit der man so lange Tomaten schneiden kann, bis die Welt untergeht, ohne dass sie stumpf werden. Ich greife nach dem Telefon und wähle. Das könnte den Tag noch retten. Lieber chinesisch und gesund ernähren als mit spanischem Likör zu büßen. Genau das Richtige. Das ist es, was ich brauche. Ich brauche es wirklich! Grade läuft was über Schmuck, aber die eingeblendete Nummer wird ja wohl die selbe sein. Es klingelt an der Tür. Gleich, ja gleich. Eine hübsche Melodie erklingt am Telefon. Mein Kopf tut schon gar nicht mehr so weh. Ich schlurfe zur Tür, den Hörer zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt. Draußen steht Manni in Wikingergewandung.
„QVC, Braun ist mein Name, was kann ich für sie tun?“
Ich starre Manni an. Manni starrt mich an.
„Ähm, ich würde gerne den Kenhom-Wok bestellen…und angstvoll setze ich hinzu: da sind doch auch Messer bei, oder?“
„Wer hat denn dir ins Hirn geschissen?“
brüllt Manni und reißt mir den Hörer weg.
Er knallt die Türe hinter sich zu und wirft den Hörer gegen die Wand.
„Und überhaupt, rasier dich mal, wie siehst du denn aus?“
Er hält die halbvolle Flasche mit dem Ron hoch.
„Die machen wir noch leer, oder? Aber deinen haarigen Bierbauch kannste diesmal eingepackt lassen.“
Wieso sollte ich Identitätsprobleme haben? Nie wieder Alkohol, denke ich. Aber die machen wir noch leer.

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Essaykalypse und ein Trauerfall

Mittwoch, März 25th, 2009 | Author:

Das Ende aller Zeiten ist angebrochen!

Also nicht wirklich das Ende ALLER Zeiten, aber zumindest das Ende meiner Studienzeit. Oder sagen wir eher des ersten Teils meiner Studienzeit. Und richtig angebrochen ist es auch nicht, es ist eher wie ein Tanz, in dem nun die Abschlussfiguren zu vollführen sind, nur dass sie Wochen dauern statt Sekunden. Ja, das ist quälend. Da sind zunächst die Standardtanzeinlagen, 1200 Wörter im wiegenden Zweiwochenrhythmus. Letzte Woche dann eine kleine, einleitende Drehung von 1.500 Wörtern, mit einem durchaus schwungvoll dahingelegten Präsentationshüpfer verziert. Nun eine Woche Zeit sich zu fangen und sich auf eine kleine Pirouette vorzubereiten – hoher Schwierigkeitsgrad, denn die Schiedsrichter geben das Signal und die Richtung spontan vor, bei flottem Tempo 3.500 Wörter Verteidigung einer unbekannten These.

Und dann direkt im Anschluss, der krönende Abschluss. Die Standardtanzeinlagen darf man jetzt getrost weg lassen, denn es wird ernst. Eine hochkomplexe achtwöchige Figur von 8.000-10.000 Wörtern mit allen erlaubten Drehungen und Sprüngen. Eigenes Thema, den Schiedsrichter darf man sich aussuchen, und doch ist eine freie Figur nicht zu unterschätzen, dazu bedarf es an Kreativität, Präzision und Disziplin. Man muss dabei aufpassen sich nicht in Details zu verlieren oder das Ganze zu komplex zu gestalten, gleichzeitig muss natürlich ein gewisser Anspruch gewahrt werden… Aber bis jetzt habe ich mich elegant geschlagen und es ist noch nicht zu befürchten dass ich mich auf die Fresse lege.

“Tu aus das Licht und dann – tu aus das Licht. Doch hab ich dein Licht ausgetan, nie find ich den Prometheusfunken wieder, dein Licht zu zünden…” Othello in W. Shakespeare

Wenn wir schon beim Musischen sind muss ich doch den gestrigen Trauerfall – ein Fall im wahrsten Sinne des Wortes – erwähnen. Ein siebenunddreissig Jahre altes Mitglied unserer Familie ist gestern durch meine Schuld unglücklich gestürzt und hat sich einen nahezu vollständigen Bruch durch den kompletten Körper zugezogen, jede Bewegung könnte nun fatal sein. Der Hals ist nicht gebrochen, es gibt also noch Chancen, aber der Lack war eh schon ab und man weiss auch nicht wie sinnvoll das ist da noch irgendwas zu retten. In dem Alter ist man halt auch ein bisschen fragil als Akustik-Gitarre, aber mich quälen natürlich trotzdem Schuldgefühle. Ich kenne sie seit meiner Kindheit, und meine Mutter hat früher darauf Konzerte in irgendwelchen Kaschemmen gespielt (besagte Kaschemme hiess “Voltaire”, befindet sich allerdings NICHT in Rock-City ;-) ). Seit ich nun selbst ein paar Akkorde schreddern kann wiegte ich mich in der kühnen Hoffnung eines Tages selbst auf ebendieser Gitarre in einer kleinen Kaschemme (NICHT im “Voltaire” in Rock-City) meine Lieder vortragen zu können.

Doch der Bruch gestern zerstörte jäh eine stolze Geschichte und meine Hoffungen, so dass ich wohl nun auf der 30-Euro Gitarre meiner Mitbewohnerin weiterschreddern muss und meine Träume, irgendwann auf einer Bühne Musik zu machen, wieder mit Millionen anderen 30-Euro Gitarrenschreddern teilen muss… *seufz*

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Am Zug

Mittwoch, März 04th, 2009 | Author:

Da kommt ein Zug.
Um elf Uhr drei.
Der fährt nach irgendwo.
Den könnt ich nehmen.
Ich weiss nur nicht ob der
Auch nach Dingsda fährt.
Ausserdem wollt ich
Schon immer mal
Nach anderswo.
Da fährt einer
nach anderswo,
um fünf Minuten vor,
doch der ist glaub ich
schon vorbei.
Wenn nicht wär das
Natürlich toll,
den könnt ich nehmen.
In dingsda hält der
sowieso,
doch fährt der auch
nach irgendwo?
Vielleicht kann ich dann
anderswo
umsteigen nach irgendwo.
Das wär natürlich toll.
Doch vielleicht ist der Zug
Von anderswo nach irgendwo
Schon voll
Und ich stehe dann anderswo
Und wollt ich wäre irgendwo
Ich glaube ich nehme doch

einfach
den Zug nach Nirgendwo.

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